Das Digitale und die Teilhabe


Allgemein, Digitalisierung, Methoden / Donnerstag, April 27th, 2017

Hamburg ahoi! Nach „Hallo Vermittlung“ hieß es nun „Sharing is caring“ und ich bin sehr froh, dass ich endlich etliche der Akteure der internationalen digitalen Kulturszene persönlich treffen konnte. Antje Schmidt (Leitung Digitale Inventarisierung MKG) hatte eine hochkarätige Schar von Leuten ins Museum für Kunst und Gewerbe und in die Hamburger Universität geholt. Diese war in Gestalt von Prof. Gertraud Koch mit verantwortlich für #sharecarex – Ableger der Mutter-Konferenz, die Merete Sanderhoff (Statens Museum for Kunst, Dänemark) ins Leben gerufen hat. Merete sprach am ersten Abend auch das aus, was durch die Tagung hindurch immer wieder aufblitzte: wir sind unter Freunden. Es ist wirklich schön, wenn man im Digitalen nicht immer nur den Problembären sehen muss, sondern gemeinsam über Chancen nachdenken kann. Es ging grundsätzlich um Open GLAM – defakto gab es einen Schwerpunkt auf Museen und Kunst. Was für mich ein Vorteil war. Und es gab jede Menge Input. Den versuche ich jetzt in diesem Blogpost für mich und natürlich für euch ein wenig zu reflektieren.

Hallo Freunde

Am ersten Abend erfreuten uns mehrere Grußadressen, von denen mir einmal mehr die von Kultursenator Brosda in Erinnerung bleibt. Ich war echt angetan, vor allem, weil man das Gefühl hatte, seine Rede ist nicht von irgendwem für ihn geschrieben. Sondern er steht selbst voll hinter dem, was er nach vorne trägt. Wie schon bei der „Hallo Vermittlung“ führte er dem Auditorium vor Ohren, dass es gelte, den Anschluss nicht zu verpassen. Er sieht, dass die Besucher schon weiter voran geschritten sind auf den Wegen in Digitalien. Wie wunderbar, dass ein offizieller Kulturverwalter die Botschaft vertritt, Kulturinstitutionen sollten ihre Besucher hier nicht davonziehen lassen. Wenn man sich seinen Werdegang anschaut, dann ist das allerdings auch nicht verwunderlich: Juni 2011 bis Februar 2016 Leitung des Amtes Medien in der Hamburger Senatskanzlei, ab 2013 außerdem Bevollmächtigter des Senats für Medien und seit 1. März 2016 Staatsrat der Kulturbehörde, Staatsrat in der Senatskanzlei für die Bereiche Medien und Digitalisierung.

In Hamburg lernte ich eine tolle Gemeinschaft kennen, die sich pro Digitalisierung des kulturellen Erbes engagiert. Die großen Player wie Wikimedia und Europeana waren vor Ort. Und das Museum für Kunst und Gewerbe etabliert sich hier einmal mehr als Vorreiter in der Digitalisierungsszene. Direktorin Prof. Sabine Schulze sagte bei ihrer Willkommens-Note etwas, das mir sehr gut gefiel. Sie sieht Besucher als eine Art „Mitarbeiter“. Ein schöner Gedanke, der meinen Vorstellungen von einer symmetrischen Kommunikation entspricht.

Merete Sanderhoff hat am Vorabend der eigentlichen Konferenz noch einmal vorgestellt, was Sharing is Caring ist. Ich finde es unglaublich wichtig, dass es solche kreativen Inkubatoren gibt. Und ich habe großen Respekt von dem Output, den es bislang gegeben hat. Obwohl die meisten der Teilnehmenden wohl schon zu den Überzeugten gehörten, gab Merete noch einmal die simple aber anscheinend sehr wirkungsvolle Formel für den Weg ins Digitale zum Besten: Think big. Start small. Move fast. Ich würde fast noch ergänzen: Stay tuned. Denn ohne Kontinuität gelingt meist nicht viel. Und wir alle wissen wohl, wie schwierig das mit der Kontinuität und auch der Nachhaltigkeit von digitalen Projekten und Aktionen sein kann.

Der Ausklang in der legendären Spiegelkantine bei leckeren Smörebröds sei hier auch erwähnt. Socializing at its best.

Der nächste Tag teilte sich in eine Runde Keynotes von sehr interessanter Natur und zwei Workshop-Slots. Obwohl ich eigentlich nicht daran gewöhnt bin, den ganzen Tag in Englisch zu kommunizieren, fiel es mir überhaupt nicht schwer, zu folgen. Wenn man wirklich Interesse an einem Thema hat, dann ist das zweitrangig. Und weil es selbstverständlich direkt die Slides im Netz parallel zu den Vorträgen gab, ging auch kein Inhalt an mir vorbei (Digital Inhabitants halt :-)). Ich ergänze gerne ein paar meiner Gedanken, die zu den jeweiligen Themen aufkamen.

Der Begriff Social Impact waberte einige Zeit mit, wenn es um das Engagement der Kultur in sozialen Netzwerken ging. Ist es nur meine Wahrnehmung, dass die Frage danach wieder weniger geworden ist? Vielleicht, weil klar ist, dass Social Impact eh nicht mit einem Posting erreicht werden kann. Gesellschaftliche Veränderung – das ist ein ganz anderes Brett. Während ich Simon Tanner zuhörte, ploppte in meinem Kopf immer nur auf, wie in aller Welt kriegt man solch eine Überzeugung auch flächendeckend in der deutschen Kultur verankert?

Es ist schlichtweg immer noch die Haltung, die den Unterschied ausmacht. „Loss of control“, „transparency“, „openness“ – das sind Stichworte, die einen recht heftigen Wandel voraussetzen. Ohne geht es aber nicht. Dass man gewinnen kann, wenn man diesen Weg zu gehen bereit ist, hat Simon Tanner in seinem Beitrag sehr klar aufgezeigt. Mir hat auch gut gefallen, dass er Verständnis dafür zeigte, dass es nicht für alle Institutionen gleich möglich ist, vollkommene Offenheit zu wagen. Man solle aber so offen sein, wie es nur eben ginge.

Andrea Wallace ist Juristin und Kommunikationsdesignerin. Sie war mir schon aufgefallen durch ihre besondere Kleidung und es stellte sich heraus, dass sie mit ihren Entwürfen unter den letzten zehn Kandidaten des Rijksstudio Awards ist. Ihre Auseinandersetzung mit dem digitalen Stellvertreter von Kunstwerken ist äußerst spannend. Die Kopie der Kopie der Kopie. Was ist eigentlich mit der Qualität? Welchen Wert haben die digitalen Stellvertreter? Ich konnte mich übrigens am Ende über den Stellvertreter von Rembrandts Selbstbildnis aus der National Gallery in Washington freuen, der bei mir jetzt auf eigenes Risiko an der Tür zu meinem Büro wacht. Die Metadaten gab es auf einem kleinen Zettel dazu. Wallace lädt zu einem Perspektivwechsel auf die Public Domain ein. Zu ihrem Projekt Display At Your Own Risk schreibt sie:

By printing the digital surrogate to the work’s original dimensions, it invites reflection on the nature and quality of the reproductions that institutions make available online in place of the material object within their care. It considers the meaning of concepts such as access, transparency and user engagement in an age where digital collections are becoming increasingly relevant. And it explores tensions inherent in the ownership and use of cultural heritage, as well as the validity of the authorial claims that institutions assert over these digital surrogates – surrogates that are often viewed as new and independent assets.

Das Ding mit der Nofretete

In ihrem Vortrag hat Andrea Wallace auch das Projekt „The Other Nefertiti“ angesprochen, das uns am Vorabend schon mit einem kleinen Video vorgestellt wurde. Es gab auch einen Workshop von den Machern dazu, den ich leider verpasst habe. Ein heimlich gemachter 3D-Scan von der Büste der Nofretete – das ist krass, oder? Eigentlich gefällt mir der revolutionäre Gedanke dahinter, der mit den Zugangsmöglichkeiten für alle auch globale Fragen zum Beispiel hinsichtlich der Folgen der Kolonialisierung tangiert.

Ich wollte ein bisschen näher eintauchen in diese Aktion und habe dann einen interessanten Beitrag auf der Seite der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gefunden, der mich nachdenklich gemacht hat. Es ist eben doch nicht alles so klar zu definieren. Und es ist immer gut, wenn man differenziert diskutieren kann. Am Ende bleibt bei mir jedoch die Frage offen, wieso es verboten ist, die Büste der Nofretete zu fotografieren. Ich kann nicht so ganz sehen, dass sie Schaden nähme, wenn man dies ohne Blitz tun würde. Daran halten sich ja mittlerweile die Besucher, ist zumindest meine Wahrnehmung.

Hurra, Worshops

Ich bin ein erklärter Fan von Workshops. Ist vielleicht mein Vermittlerinnen-Ich. Nur, wenn man selber beitragen kann, etwas ausprobieren und diskutieren, dann versteht man es bzw. kommt auch einen Schritt weiter. Die reine Rezeption bringt mir selten etwas. Natürlich bin ich mit besonderem Hunger auf Input zum Workshop von Douglas McCarthy (Europeana) und Friederike Fankhänel (Kunstvermittlerin im Museum für Kunst und Gewerbe) gekommen.

„How to Make the Most Out of It: Reuse and Content Production for Learning“ war der überschrieben. Und war somit meinem Spezialthema gewidmet. Was mir präsentiert wurde, war super spannend. Es hat mir aber auch gezeigt, dass die Content Production for Learning noch viele Baustellen aufweist. Bei der Europeana fehlt zum Beispiel meiner Meinung nach eine Ebene, auf der mögliche Standards für die Vermittlung im digitalem Raum vorgestellt und diskutiert werden könnten. Die Zusammenstellung von Alben ist für mich zu wenig. Ich hatte mir auch schon mal die App angeschaut, die von Douglas vorgestellt wurde. Und das, was ich da gesehen habe, bestärkt mich in meiner Meinung, dass viel mehr über Qualitätskriterien von Content Production for Learning geredet werden muss.

Richtig überrascht war ich von den vielen tollen Programm-Ideen der Vermittlung im MKG , über die Friederike Fankhänel berichtet hat. Das meine ich einerseits positiv. Andererseits wundert es mich auch, dass mit so einem Pfund nicht mehr in den sozialen Netzwerken gewuchert wird. Die Strategien für die sozialen Netzwerke sehen anscheinend nicht vor, dass die Vermittlungsideen darin vorkommen. Was ich für einen großen Fehler halte.

Schade, dass die Zeit begrenzt war, denn nach den ausführlichen Präsentationen hätte ich gerne diskutiert oder am liebsten geworkshopt und ein bisschen Brainstorming betrieben.

Interaction-Queen

Und dann die fabelhafte Mar Dixon. Man kann sie nicht genug feiern für ihre Aktionen wie #askacurator und #MuseumWeek auf Twitter oder auch @52museums auf Instagram. Und wie nicht anders erwartet, ging es auch direkt ans Machen. Wir hatten ein bisschen Spielzeug und Süßkram auf den Tischen und sollten damit ein paar Postings vorbereiten. „Sharing through Interaction: Socializing Media for Cultural Heritage Work“ war ihr Workshop überschrieben. Und Mar Dixon ist wahrlich eine Interaction-Queen. Dass man nicht immer viel braucht, um diese anzukurbeln, ist ihre Überzeugung. Wie sie so nonchalant bemerkte: es hat sie absolut nichts gekostet, so ein erfolgreiches Format wie 52museums aus dem Boden zu stampfen. Content kommt, ohne dass sie etwas machen muss. Und anscheinend stehen die Museen auch Schlange, um dort gefeatured zu werden.

Ich hätte Mar sehr gerne gefragt, wie sie die Museumslandschaft und ihr Socializing bewertet. Denn in den angelsächsischen Ländern hat man einfach schneller mehr Menschen erreicht. So poppte auch kurz die Diskussion auf, wie man denn einen Erfolg messen könne bei all den Aktionen. Dass dies nicht unbedingt über Zahlen geschehen muss, darin waren wir uns alle einig. Dennoch, wenn keiner mitmacht bei toll ausgedachten Interaktionsangeboten ist es ja auch doof. Sehr gut gefallen hat mir ihr Appell, dass der- oder diejenige, die für Social Media im Museum verantwortlich sei, auch selber „social“ sein sollte. Ich interpretiere das jetzt mal frei in Richtung „Sichtbarkeit“ – ein Thema, das nicht oft genug betont werden kann.

Fazit

Eine tolle Veranstaltung und ich überlege schon, ob ich für die November Konferenz nach Aarhus fahren soll. Es ist einfach unglaublich inspirierend, die Menschen hinter den digitalen Projekten kennenzulernen. Ich muss für mich nur klar kriegen, in wiefern sich diese Weiterbildung auf dem Gebiet lohnt, wenn ich sie doch eher selten umsetzen kann. Aber gut, das steht auf einem anderen Blatt.

Für die Zukunft wünsche ich mir noch mehr Möglichkeiten, die Digitalisierung des Kulturerbes auch für Laien nutzbar zu machen. Ich bin schon sehr der Überzeugung, dass man da eine Hand reichen muss. Besonders im Bereich der bildenden Kunst. Es braucht mehr, als die reine Bildbetrachtung oder das Remixen. Welche Formate gut wären, wie viel Anleitung auch für Multiplikatoren wichtig sein kann – ich bin sicher, es lohnt sich,  hier weiter zu denken.

Und ich freue mich über diese weiteren Beiträge! Antje Lange ist unter die Blogger gegangen. Hurra! Ihr Beitrag zeigt eine weitere Perspektive.

Und mittlerweile hat auch Antje Schmidt ihren Vortrag online, in welchem sie den Weg der Online-Sammlung des MKG beschreibt. Und macht deutlich, wie wichtig auch gute Vorbilder sind!

2 Replies to “Das Digitale und die Teilhabe”

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