Alternativen zur klassischen Museumsführung


Allgemein, Kulturvermittlung, Methoden / Mittwoch, Mai 4th, 2016

Vor einiger Zeit habe ich ja mal darüber geschrieben, wie man eine gute Museumsführung planen kann. Und Damián verbloggte bei Musermeku Tipps für Museumsführungen. Deswegen ist das Thema aktuell wieder in meinen Blick geraten. Und weil es doch anscheinend soviel Gesprächsbedarf dazu gibt, will ich hier mal nachlegen.

Vorneweg: Die klassische Museumsführung hat durchaus ihre Berechtigung. Es kann ein Gewinn sein, wenn man von einer kenntnisreichen und unterhaltsamen Person durch eine Ausstellung geleitet wird und spannende Hintergrundinformationen präsentiert bekommt. Aber ich würde mir mehr Alternativen dazu wünschen. Und immer, wenn irgendwo in einer Statistik angeführt wird, dass die Mehrheit der Besucher sich eine Führung wünscht, dann frage ich mich: wissen die denn, was man stattdessen machen könnte?

Begriffe wie Partizipation und Interaktion werden derzeit ja beinahe inflationär verwendet. Aber im Kontext Wissensvermittlung im Museum rangieren sie in der Regel weit hinter dem Diktum „Faktenwissen“. Dieses wird in oft sehr emotional geführten Diskussionen bis aufs Blut verteidigt. Aber wäre es wirklich so schlimm, sich davon mal ein bisschen frei zu machen? Bitte nicht falsch verstehen: ich meine nicht zugunsten von oberflächlichem Aktionismus ohne Relevanz.

Hier mal ein paar Sätze zum Thema, die ich zur Diskussion stelle.

Ich seh nur was ich weiß  gesagt bekomme!

Mission: Wissen vermitteln. So weit, so gut. Aber von welcher Art Wissen sprechen wir hier eigentlich?  Ich in mir sicher, dazu kann man entsprechende Vorträge von abendfüllender Länge halten. Meist geht es ja im Museum um ein sehr sehr sehr komplexes Feld, dass es zu beackern gilt. Mit jeder Menge Kontext.  Der muss teilweise sogar von außen zugefüttert werden. Will heißen, man muss auch auf Dinge verweisen, die nicht vor Ort sind, damit überhaupt verstanden werden kann, um was es geht. Eine ziemliche Herausforderung an das Gedächtnis. Was man sich da alles merken muss und in Form von Abstraktionsleistungen mit dem eigentlichen Geschehen vor Ort verbinden muss. Puh! Ich stelle hier mal die These auf, dass das im Rahmen einer klassischen Führung gar nicht alles zu leisten ist.

Hier sehe ich übrigens die Schnittstelle zwischen Kurator und Vermittlung. Es gibt Ausstellungen, die sind einfach zu „führen“ und wieder andere, da fängt man fast an zu heulen, weil es so viele Hindernisse aus dem Weg zu räumen gilt. In mehrfacher Hinsicht!

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Vorschlag:

Die gute alte didaktische Reduktion. Klingt abgegriffen. Funktioniert meiner Meinung nach aber immer! Reduktion meint in diesem Falle Vereinfachung. Impliziert aber auch das Weglassen von Informationen, die vielleicht nicht unmittelbar zielführend sind. Es gilt, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Sich vielleicht nur drei Bilder rauszusuchen. Diese aber dann mit einem gut erzählten roten Faden zu verbinden und den Besuchern etwas mit auf den Weg zu geben, das sie auch am Abend zuhause noch erinnern können. Idealerweise kommen die dann sogar wieder. Weil sie mehr sehen und erfahren wollen. Das ist überhaupt mein erklärtes Ziel in allen Veranstaltungen: die Besucher zu Wiederholungstätern zu machen!

Ich finde es großartig, wenn die Besucher – je nach ihren Möglichkeiten und Voraussetzungen – zu Forschern im Museum werden und ein Rüstzeug dafür an die Hand bekommen. Es sind so viele eingefahrene Bahnen, in denen man sich normalerweise im Museum bewegt. Hinter jedem Besuch steckt ein Geflecht aus Erwartungshaltungen, Bedingungen vor Ort (Wachpersonal ist zum Beispiel so ein ganz eigenes Thema) und Wunschvorstellungen von mehreren Seiten, das vielleicht auch mal aufgebrochen werden muss. Perspektivwechsel ist ein Zauberwort, das so gut wie einfach funktioniert. Man muss nur den ersten Schritt machen. Auch von Seiten des Museums.

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Bei Führungen kann man so schön ins Gespräch kommen!

Wenn dem so ist, dann finde ich das prima. Aber meiner Erfahrung nach ist in den meisten Führungen der Anteil an wirklichen Dialogen eher gering. Grundsätzlich bin ich ein Fan der Cicerone-Konzepte. Da wird ja von vorne herein das Angebot zum Gespräch festgelegt. Das Museum Ludwig macht das seit vielen Jahren erfolgreich mit den Kunstdialogen. Gut finde ich es, wenn man die Sache mit dem Dialog professionell angeht (die richtigen Fragen zu stellen und entsprechende Anregungen zu liefern ist nicht so ganz banal). Da gibt es auch Kolleginnen, die sich in diesem Feld hervorgetan haben.

Für mich ein wichtiger Leitsatz: Eigenes Tun hilft Sehen! Ich möchte den Besuchern ermöglichen, eigene Erfahrungen mit der Kunst zu machen. Richtig oder falsch spielt dabei erst mal keine Rolle. Und ich plädiere hier für mehr Kreativität in den Angeboten und Anregungen zur Vermittlung.

Vorschlag:

An den Anfang der gemeinsamen Entdeckungen einfach mal eine Frage setzen, zu deren Beantwortung sich die Teilnehmer ganz individuell umsehen müssen. Das kann man auch sehr niederschwellig als Suchaufgabe gestalten. Alles hängt natürlich von der Zielgruppe ab. Und von den Objekten. Mein besonderes Steckenpferd ist das kreative Schreiben. Ob es ein Wort für den Ort ist oder Listen, in denen man seine Assoziationen organisiert: Ich habe bislang mit solcher Art Kunstvermittlung die besten Erfahrungen machen können. Es geht auch darum, dass sich die Betrachter der eigenen Eindrücke bewusst werden und diese versprachlichen. Was schwerer ist, als es auf den ersten Blick klingen mag.

Eine spitzen Idee ist auch das Museumsgraffiti, mit dem Karin Rottmann super Erfahrungen in der Vermittlungsarbeit gemacht hat.

Grandios ist auch das in der letzten Zeit aufkommende Zeichnen im Museum. Das Rijksmuseum hat seine Besucher dazu aufgefordert. Und beim kommenden Internationalen Museumstag gilt das Motto #paintmuseum. Wenn man nicht zufällig Grafiker oder Künstler ist, dann braucht man hier vielleicht noch mehr Unterstützung.

Nach einer verabredeten Zeit kommen alle zusammen und berichten von ihren Erfahrungen/Ergebnissen. Als Vermittler habe ich nun die Verantwortung, die gemachten Entdeckungen rückzubinden an inhaltliche Aspekte der Objekte. An anderer Stelle schrob ich bereits über einige meiner Methoden in diesem Zusammenhang. Dieser Pool wächst ständig. Für jede neue Vermittlungsaufgabe feile ich weiter an Ideen oder passe bekannte Methoden an. Über das Stichwort „Interaktion“ habe ich hier schon einmal gebloggt und weitere Ideen zur Anregung gesammelt. Vielleicht werde ich hier in loser Folge mal kleine Methoden-Tipps verbloggen. (Mit meiner Kollegin Karin Rottmann habe ich drei Activity Books schon fertig, die seit Langem in der Schublade liegen. Ich komme einfach nicht dazu, mal einen Verlag zu suchen.)

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Gute Führungen sind beste Unterhaltung

Ich rede gerne. Und man sagt mir nach, dass ich es auch ganz gut kann. Manchmal ertappe ich mich allerdings dabei, dass ich vor lauter Begeisterung über meine eigenen Worte nicht merke, wenn es zu viel wird. Klar, wer oft vor Publikum steht, der muss das auch wollen und es auch nicht gerade ungern tun. An dieser Stelle werfe ich jetzt mal das Wort „Aufmerksamkeitsspanne“ in den Teich und schaue, welche Kreise es zieht. „Du kannst über alles reden … nur nicht über 20 Minuten.“ Kennt ihr diesen Spruch? Liest man gerne bei Tipps für gute Redner. Er ist vielleicht ein wenig übertrieben. Aber es steckt auch Wahres darin. Ich kenne Museumsführungen, die bis zu 2 Stunden dauern. Respekt!! Nee, im Ernst. Da steigt doch irgendwann der noch so konzentrierteste Besucher aus, lächelt freundlich und denkt daran, was er sonst noch so zu erledigen hat. Oder belohnt sich für das Durchhalten mit einem großen Stück Kuchen. Der Museumsbesuch als Übung zur Disziplin?!.

Vorschlag:

Abwechslung ist mein Zauberwort. Ich habe ja gar nichts gegen einen knackigen Input von sagen wir mal 10 bis 15 Minuten, in denen man alle wichtigen Eckdaten zum Besten geben kann. Dann sollte man auf die ein oder andere Weise das Publikum aktiv werden lassen. Und auch hier gilt: je straffer und organisierter, umso besser. Also ruhig zwei kurze Impulse aufeinander folgen lassen. Immer mit entsprechender Diskussion der Ergebnisse. An die man dann wieder entsprechend gut verpackte Infos knüpfen kann.

Das Rezitieren von Literatur, Zitaten oder sonstiger Texte ist ein beliebtes und probates Mittel, eine Führung unterhaltsam zu gestalten. Warum nicht mal vorbereitete Textauszüge an die Teilnehmer verteilen und vorlesen lassen? Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Zumal sich die Besucher mit „ihrem“ Text noch einmal ganz besonders intensiv auseinandergesetzt haben.

Anspruch und Wirklichkeit

Strategien zur Kunstvermittlung gibt es sicher viele. Eigentlich hat wahrscheinlich jede Kollegin, jeder Kollege sich im Laufe der Jahre ein eigenes Repertoire erarbeitet. Ich würde mir ja wünschen, dass man sich mal darüber austauschen könnte. Und auch die Frage, mit welchen Methoden man dann im Netz erfolgreich sein könnte, würde mich brennend interessieren. Ich entdecke mal hier und da ein paar Mitstreiter. Aber auch da würde ich mir einen Austausch sehr wünschen.

Es gibt tolle Fortbildungen, die ich immer mal mit halbem Auge an mir vorbeihuschen sehe. Aber auch da hängt es sehr von der jeweiligen Filterblase ab, was wann wo stattfindet. Der Bundesverband Museumspädagogik macht auch einen guten Job. Aber ganz ehrlich: als Freiberuflerin fühle ich mich da nicht so richtig aufgehoben. Es verschwindet dann auch viel in den Landesverbänden und Arbeitsgruppen. Im Zuge der derzeit heiß diskutierten Frage, wie das Museum der Zukunft aussehen kann, würde ich mir auch noch mehr Input für die Vermittlungsarbeit wünschen. Die sehe ich nämlich als eine zentrale Stellschraube in dieser Angelegenheit.

In diesem Sinne: lasst uns reden. Über Qualität, Ideenfindung und sonstige Themen der Vermittlungsarbeit. Ich bleibe hier dran an meinem Lieblingsthema, versprochen!

 

 

 

 

 

 

 

 

6 Replies to “Alternativen zur klassischen Museumsführung”

  1. Liebe Anke,
    ich hab’s wieder gerne gelesen, und es ist wieder soviel drin!
    Zwei Dinge: das, was fertig in Schubladen liegt, liegt da verkehrt; raushauen! 😉
    Und wenn es zu einem Vermittlertreffen kommt, wäre ich gerne Gasthörerin, wenn’s zeitlich und logistisch passt. 🙂
    Herzlich,
    Sabine

    1. Liebe Sabine,
      danke für deine motivierenden Worte. Ja, so ein Treffen würde ich gerne auf die Beine stellen. Mal schauen, wann ich etwas Zeit habe. Man braucht ja leider so allerlei: Raum und Zeit vor allem 🙂
      Liebe Grüße
      Anke

  2. Liebe Anke,

    danke für den vielfältigen Input. Für mich erfordern verschiedene Museumstypen auch verschiedene Arten der Führung. Du selbst kennst es ja aus eigener Erfahrung: In Kunstmuseen ist es anders als in Geschichtsmuseen, Stadtführungen sind anders als Parkführungen usw. Aus eigener Erfahrung kenne ich nur zwei Führungstypen, da ich vor einigen Jahren in der Eremitage in Bayreuth und im Neuen Schloss in Bayreuth auf Deutsch und Englisch geführt habe. An beiden Orten habe ich eigentlich komplett andere Führungsarten angeboten, auch wenn die historische Periode ja identisch war und sich die Inhalte rund um Markgräfin Wilhelmine einfach wiederholten. Trotzdem passt man die Führung ja den äußeren Gegebenheiten an – schon alleine deshalb, weil wir im Park in 90 Minuten mehrere Kilometer zurücklegten und in den kleinen Räumen des Schlosses nur wenige Meter. Aber es ist natürlich auch etwas anderes, wenn man draußen in der Natur ist und damit auch vom Wetter abhängig – oder ob man eben in geschlossenen Räumen ist, in denen man nichts anfassen darf. Was ich damit sagen will: Jedes Museum hat ganz andere Voraussetzungen mit denen man in der Führung arbeiten kann, insofern ist es für mich eine ganz individuelle Sache – man denke nur an Führungen in Gedenkstätten. Spannend, wenn man sich hier von verschiedenen Orten Inspiration holen kann, wie man Führungen zu unterschiedlichen Themen, aber auch für verschiedene Vermittlungsansprüche und -ziele konzipieren kann.

    Viele Grüße, Angelika

    1. Liebe Angelika,

      da hast du sicher Recht. Man muss auf viele Aspekte achten und Stadtführungen sind noch einmal ganz besonders. Aber auch hier würde ich mir mehr Interaktion wünschen. Wie gesagt, meist bleibt man am Faktenwissen hängen. Ich würde das gerne aufbrechen. Dazu bedarf es aber einer ganz grundsätzlichen Perspektivänderung. Es ist im Grunde vergleichbar mit den Forderungen nach erfolgreicher Nutzung von Social Media. Da funktioniert es ja auch nur bedingt, wenn man Infos vermitteln will.
      Ansonsten bin ich ganz bei dir und meine auch, dass man jede Führung ganz individuell planen muss.

      Viele Grüße von Anke

  3. Hallo liebe „Kulturtussi“!

    Vielen DANK für deine zahlreichen, interessanten, informativen und anregenden Beiträge auf der Seite! Ich bin angehende Kunstpädagogin von der TU Dresden, aber leider haben wir kaum Schnittpunkte mit zB der Museumspädagogik bzw Methoden & Kommunikationsanregungen aufgezeigt bekommen… und ich studiere mittlerweile auch seit mehreren Semestern.
    Was ich schreiben will, da ich nun kurz vor eigenen Führungen vor Schulklassen in Sachsen stehe, danke für deine Worte, Texte und Inputs! Sie dienen mir, zusammen mit wunderbaren Verlinkungen in deinen Blogeinträgen, als wunderbarer Start zur Vorbereitung auf meine eigenen Führungen.

    Beste Grüße, J

    1. Liebe J,

      vielen Dank für diesen Kommentar, der mich sehr gefreut hat. Ich will gerne noch mehr in diese Richtung bloggen. Im Moment komme ich nicht so richtig dazu. Aber vielleicht hast du mir jetzt den kleinen Schubser gegeben, das wieder anzupacken.
      Leider gibt es keine wirkliche Online-Community für Vermittlerinnen. Ich würde mir da noch mehr Austausch wünschen. Falls du auf Twitter bist: schau gerne mal in den @artedutalk rein. Dort habe ich mit einer Kollegin aus Österreich mal einen Anfang gemacht. Wir sind gerade in der Sommerpause. Wollen aber auf jeden Fall bald weitermachen und uns noch mehr im Netz über Kunstvermittlung oder Vermittlung allgemein austauschen.

      Herzlichst
      Anke

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