Um nicht weniger als die Zukunft:Kultur und die Kulturnutzer*innen von morgen ging es vor gut einem Monat beim 5. Kulturpolitischen Symposium. Und um die Kulturvermittlung in Zeiten von Migration, demographischem Wandel & digitaler Transformation.
Schon zum fünften Mal? Kulturpolitisches Symposium, vom Kölner Kulturrat veranstaltet? Ich muss gestehen, ich war ein bisschen überrascht, als ich per Zufall von dem Symposium erfahren habe. Das Thema der Kommunikation und der Reichweite in den relevanten Zielgruppen zog sich leider auch als Nebengeräusch ein wenig störend durch das hochkarätig besetzte Symposium. Ohne Frage – es wurde ordentlich aufgetischt! Ich bin mir aber nicht sicher, ob am Ende jeder satt geworden ist.
Ich trug von den zwei sehr dichten Tagen im Grunde das Gefühl mit nach Hause, das mich bei solchen Veranstaltungen immer beschleicht: viel Theorie, aber wo sind die Ideen für das Operative? Wo lässt sich ansetzen? Wie kommt man vom Denken ins Machen? So weit kam man aber nicht, weil schon viel zu früh abgeschwenkt wurde und man sich auch gerne die Bildungsbürger-Brille aufsetzte. Aber ich will nicht nur von Problemen reden und lieber versuchen, aus dem wirklich tollen Programm wichtige Erkenntnisse zusammenzutragen.
Der Auftakt des Symposiums fand im Literaturhaus mit einer interessanten Podiumsdiskussion statt. Bei dieser ist mir der frisch im Amt gestartete Kulturdezernent von Essen sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben. Zunächst irritierte Muchtar Al Ghusain mich mit der Bemerkung, dass es viel zu viele Förderprogramme gäbe. Als er aber dann nachsetzte, dass er es für sinnvoller halte, dass entsprechend nachhaltige Strukturen geschaffen werden, fiel der Groschen und ich kann nur sagen: das war für mich die erste wichtigste Erkenntnis aus dem Symposium. Es muss dringend mehr in diese Richtung gedacht und geplant werden. Und ich schließe mich der Forderung von Herrn Al Ghusain an: Man muss JETZT die Grundlagen für die Zukunft legen! Was ich von dem Auftaktabend übrigens ebenfalls mitnehme ist der Hinweis auf eine Studie, die belegt, dass freier Eintritt in Museen nicht zu einer veränderten Besucherstruktur führt. Eigentlich sind das auch alles Dinge, die man sich denken könnte. Manchmal ist es aber auch wichtig, diese Tatsachen mal auf den Tisch zu legen und sich zu fragen, was man damit macht? Hier ist aus meiner Sicht ganz klar auch die Vermittlung am Zuge.
Der erste Tag des Kulturpolitischen Symposiums war sehr dicht.
Gleich zu Beginn fiel in der Begrüßung des Vorsitzenden des Kölner Kulturrat der Begriff der digitalen Transformation. Hermann Hollmann erwähnte, dass diese den Ausschlag für das Symposium gegeben habe und dass dazu Austausch und Diskussion gefragt sei. Dass ich an dieser Stelle erfreut aufmerkte, aber später enttäuscht wurde, soll weiter unten noch mal Thema sein.
Mit ihrer Keynote setzte Birgit Mandel deutliche Akzente (dafür war sie sicherlich auch eingeladen worden). Die Folien ihres Vortrags gibt es übrigens komplett hier einzusehen. Und ihr Vortrag (wie auch die der anderen Referentinnen) ist auf YouTube zu sehen.
Die Professorin aus Hildesheim forscht ja schon sehr lange den Kulturnutzerinnen und -nutzern hinterher. Und eigentlich sollten ihre Erkenntnisse die Marschroute für Kulturinstitutionen vorgeben. Aber sie setzte die Zuhörerschaft auch vor sehr schmerzliche Tatsachen. Zum Beispiel die, dass der Kulturbegriff auf den Prüfstand muss. Es ging um Augenhöhe, um die Frage, welche Relevanz die Kultur noch in der Lebenswirklichkeit der Mehrheit der Bevölkerung hat. Nur 10 Prozent nutzen regelmäßig Kulturangebote!!!! Da muss man schon schwer schlucken. Und dann ist so ein trotziges „Dennoch“ auch sehr gut, wenn man als Kultureinrichtung bestehen will. Aber man muss auch aus dieser Bilanz seine Schlüsse ziehen und vielleicht auch den sportlichen Ehrgeiz entwickeln, diese Zahl zu steigern.
Nun war das Symposium ja ausdrücklich auf der Suche nach den Kulturnutzerinnen und -nutzern von morgen. Wobei dieser Nutzer-Begriff durchaus Magenschmerzen erzeugte (wie Janis El-Bira in seinem Fazit-Vortrag sehr treffend bemerkte, lasse sich Kultur nicht benutzen). In einem der Best Cases (von denen wird weiter unten noch die Rede sein) wurde übrigens über die Befragung des Publikums der freien Theaterszene berichtet. Ich war in einer parallellen Veranstaltung und freue mich sehr, dass ich jetzt hier auf die Studie verlinken kann!
Birgit Mandel sprach auch über die Bedeutung von Communities. Vorsicht, Buzzword. Aber ich bin sehr überzeugt davon, dass dies ein ganz entscheidender Schlüssel für Audience Development ist. Und noch ein wichtiges Ergebnis der Forschungen von Frau Mandel: der Kulturbesuch wird in erster Linie als soziales Erlebnis gesehen und Kulturinstitutionen würden auf dieses Bedürfnis viel zu wenig reagieren. Und gleich ein weiterer harter Brocken: Unzureichende Kommunikation und unattraktive Programme sind die größten Barrieren für den Kulturbesuch. Ich höre quasi den Aufschrei, der an dieser Stelle quer durch alle Kulturbetriebe geht. Aber ja: das sind die berühmten Painpoints, die man an diversen Berührungspunkten mit der Institution sammelt.
Ich habe übrigens angefangen, in Workshops mit Formaten wie User Experience und Customer Journey zu arbeiten. Und bislang habe ich immer festgestellt, wie schwer es fällt, sich in die Besucherperspektive zu versetzen und kritisch über Versäumnisse und Fehler nachzudenken. Aber nur so geht es vorwärts. Nie lernt man mehr, als wenn man seine Schwachstellen genau kennt und sich intensiv damit auseinandersetzt.
Auch noch eine Erkenntnis, die Frau Mandel den Tagungsteilnehmern ins Heft geschrieben hat: kurzfristige Erfolge gibt es nur bei bereits potentiell Interessierten! Hach, man hätte ja wirklich jeden zweiten Satz von ihr auf ein Plakat drucken wollen und für zukünftige strategische Planungen in die Direktor*innenzimmer hängen mögen.
Nach dem Vortrag von Frau Mandel sprach Tunay Önder vom migrantenstadl. Ein Glücksgriff, denn ihr erfrischender Beitrag lieferte eine perfekte Steilvorlage für neues Denken. Vielleicht habt ihr das auch schon mal gehört, dass man sich doch nicht so haben solle mit bestimmten Sprachregelungen. Genau darauf setzte das migrantenstadl auf und konterkariert solcherlei Denken herzerfrischend. Ich finde das super, denn ironische Brechungen machen viel auf den ersten Blick sofort nachvollziehbar. Ja, eine frische und kritische Kulturwelt. Bitte!!!!
Chantal Eschenfelder vom Städelmuseum hat in ihrem Vortrag über die digitale Transformation wieder einmal deutlich gemacht, wie wichtig die interne Organisation ist, wenn man einen entsprechenden Output haben will. Man muss agile Teams haben, sich extra Geld für Support von außen besorgen und konsequent das umsetzen, was über einen längeren Zeitraum sorgfältig erarbeitet wurde. Anders geht es nicht. Was ich allerdings immer wieder feststelle: die Schlagzahl, mit der das Städel neue Formate wie Digitorials oder den Online-Kunstgeschichte-Kurs entwickelt hat, scheint zu der Annahme zu führen, es handele sich dabei um Marketing. Ich verstehe zwar nicht, wie man darauf kommen kann, aber ich will es nochmal ganz deutlich sagen: professionelles Agieren (auch mit Unterstützung marketingtechnischer Methoden) ist nicht das Gegenteil von Kulturvermittlung. Mich beschleicht manchmal das Gefühl, dass man gerne an dieses Modell denkt: Vermittlung=Pädagogik=Bastelarbeiten. Das ist aber schon ca. 60 Jahre alt und längst überholt!
Keynotes, Best Cases und Wrap Up – eine gute Mischung
Eh ich mich aber in den Einzelheiten mancher Baustellen verliere, die mit dem kulturpolitischen Symposium in Köln aufgeploppt sind (die zu diskutieren ist wichtig!), will ich noch einen Blick auf die Best Cases richten. Ein guter Schachzug der Organisatoren, diese mit den Keynotes zu mischen. Mit-Herbergsmutter Ute Vogel konnte in diesem Zusammenhang über viele unserer Aktionen im Netz berichten und hat das dankenswerter Weise auch verbloggt.
Ich hätte mir auch sehr gerne Julian Quacks Musizieren mit Apps angeschaut oder die Session zur Multikulturalität mit Elke Motrecht und Mahusree Dutta von der Akademie der Künste der Welt. Dafür konnte ich von Sandra Brauer über die Erfahrungen mit den Kulturscouts im Bergischen Land lernen oder von Prof. Schmachtenberg von reaktiven Ausstellungsformen erfahren. Im ersten Teil bedienten die Best Cases jeweils die Themen: Integration, Interkulturalität, Teilhabe und Kulturelle Bildung. Im zweiten Abschnitt folgten dann: Digitale Öffnung, Kunstvermittlung, Experiment, Kommunikation und Social Media. Eigentlich wäre jeder einzelne Impuls eine eigene Veranstaltung wert gewesen! Aber ich fand es auch super spannend, einmal einen großen Rundumschlag mit allen Beteiligten zu diskutieren.
Mir hat auch die Idee des Wrap Up sehr gut gefallen. Auch hier wurde mitgefilmt und man kann sich das in Ruhe nochmal anschauen, was besprochen wurde. Unten habe ich die Seite verlinkt, auf der alle Beiträge versammelt sind. Die Wrap Ups konnten aber bei der Fülle der Themen nur Schlaglichter liefern und die Diskussion anreißen. Ein bisschen schade habe ich es persönlich gefunden, dass viele der Referentinnen nach ihren Vorträgen abgereist waren und sich inhaltlich nicht mehr in die Diskussion einbringen konnten. Für mich stellte sich vor allem die Frage, wie bündele ich jetzt das, was hier besprochen wurde? Wie trage ich das heim in mein tägliches Arbeiten? Wo gibt es Anknüpfungspunkte für neue Ideen?
Und damit zum letzten Punkt: die Workshops
Das Symposium hatte auch am folgenden Tag unter schleichendem Besucherschwund zu leiden. Es war ja vor allem an institutionell gebundene Akteure gerichtet. Und da war der Samstag vielleicht nicht die beste Wahl. Ich war aber sehr froh, auch an diesem Tag dagewesen zu sein. Denn für mich sind solche Veranstaltungen immer am ergiebigsten, wenn man sich beteiligen kann. Wenn man auch gezielter miteinander diskutieren kann, als das in den Kaffeepausen möglich ist. Wobei ich die Bedeutung der Gespräche in den Kaffeepausen nicht schmälern möchte. Die sind extrem wichtig und ich habe ein paar sehr nette Begegnungen an den Stehtischen gehabt.
Meine Wahl für einen Workshop fiel auf das Angebot der eigens aus Wien eingeflogenen Irene Knava. Sie ist Expertin fürs Publikum. Das hat mir gut gefallen und natürlich hatte ich auch entsprechende Erwartungen an das gemeinsame Arbeiten zum Thema Audience Development. Schade, dass wir nur eine kleine Runde waren, für die die Methode World Café vielleicht etwas überdimensioniert gewesen ist. Aber immerhin gab es ein sehr spannendes Brainstorming. Teilnehmende waren z. B. eine Volontärin vom Museum Schnütgen und ein Vertreter des Kunstsalon e. V. Super, wenn man solche Praxisbeispiele hernehmen kann und gemeinsam an Möglichkeiten des Audience Development herumschrauben kann. Zwei Stunden waren aber sehr schnell vorbei und es ist immer auch etwas schwierig, sich kreativ in Runden zu betätigen, wo sich die Teilnehmenden nicht kennen. Der Bedarf an Austausch und an frischen Ideen ist aber nach wie vor riesig.
Alle treibt die Frage um, wie man sein Publikum erreicht, behält und vergrößert. Und jetzt muss ich doch noch einmal auf das Thema digitaler Wandel zu sprechen kommen, der anscheinend den Impuls für die Tagung gegeben hat. Wenn man vorschlägt, nach Lösungen für die drängenden Fragen des Audience Development auch im digitalen Raum zu suchen, wird es schwierig. Einige ahnen, dass da Potenzial liegen könnte, haben aber keine Ressourcen, da gezielt ran zu gehen und winken ab. Wieder andere halten sich bewusst zurück, weil sie sich nicht auskennen und keine Zeit investieren wollen. Und dritte sprechen immer wieder die Warnung aus, dass man doch bitte nicht all zuviel investieren solle, da das dazu führe, dass das Publikum nicht mehr in die Häuser komme.
Ich denke, solange wir uns immer an genau dieser Stelle wiederfinden und über die Frage diskutieren, ob es generell Sinn macht, sich im Digitalen zu engagieren, wird es extrem schwer, gute Ideen dafür zu entwickeln, wie man das tun könnte. Leider wurde in diesem Zusammenhang durch Vertreter des Kölner Kulturrates und allen voran auch durch den ansonsten sehr eloquenten Moderator derart viel Skepsis verbalisiert, dass ich am Ende der Tagung nicht genau wusste, wie ich das tolle Programm und die Haltung der Veranstalter in Einklang bringen sollte. Und so bleibt mir nur, wieder die Fahne für ein kluges und gut durchdachtes Handeln im Netz hoch zu halten. Auch und gerade, wenn man sich für Kultur engagieren will.
Auf den Seiten des Internetauftritts zum Kulturpolitischen Symposiums sind alle Vorträge und die Wrap Ups als Videos nochmal nachzusehen. Ich empfehle das sehr!