Ich sitze vorne beim Fahrer und der Fahrtwind weht mir um die Nase. Es hat gerade geregnet und jetzt kommt die Sonne heraus. Wir fahren am Rheinufer entlang und der Fahrer wechselt immer mal wieder ein paar Worte mit den Vorbeigehenden – gerne betont er die Vorteile der neuen Mobilität und ruft einem Pferdefuhrwerk ein paar ironische Bemerkungen hinterher. Später gibt es noch einen harmlosen Unfall einer anderen Bahn, ehe wir wieder sicher am Altermarkt landen. Genau an der Stelle, wo sich heute TimeRide befindet. Und wo ich zu dieser aufregenden virtuellen Reise durch das Köln um 1910 aufgebrochen. Was mir an dieser VR besonders gut gefallen hat, lest ihr in meinem Beitrag.
Das ausgewählte Zeitfenster
Im Gespräch mit Kommunikations-Leiter Matthias Flierl erfahre ich, warum man das beginnende 20. Jahrhundert als Reiseziel ausgewählt hat. Für diese Zeit gab es die beste Dokumentationssituation des historischen Köln. Die Macher von TimeRide haben weltweit in Archiven Fotos aus eben jener Zeit aufgetan. So konnte die VR sehr genau das Gesicht Kölns im beginnenden 20. Jahrhundert nachbilden. Das trägt auf jeden Fall auch zur Authentiziät der VR bei, die mich sehr schnell in ihren Bann gezogen hat. Und ich fand es auch sehr gewinnbringend, nicht in so ein erwartbares Mittelalterszenarion reingezogen zu werden.
Das Storytelling
Für das Storytelling funktioniert eine Zeit gut, in der sich neue Arten der Fortbewegung entwickelten. Das soll wohl auch für zukünftige weitere Szenarien, die TimeRide plant, ein wichtiger Aspekt sein. Es braucht ein Fortbewegungsmittel, in dem die Besucher fix sitzend dennoch durch den Raum gefahren werden.
Man merkt, dass eine schlüssige Storyline entwickelt wurde. Nicht sehr komplex, aber darum geht es ja auch nicht. Guter dramaturgischer Kniff: die Figur des Fahrers liefert eine gelungene Verbindung zu dem Stadtraum, durch den man sich bewegt. Auch sehr schön: durch kleine Szenen am Wegesrand (ein Mann torkelt und fällt anschließend in den Rhein, der Straßenbahn-Unfall kurz vor dem Dom, ein tolles neues Auto am Wegesrand, das dem Fahrer offensichtlich gut gefällt) wird einem nie langweilig.
Die Technik
Die Grafik ist wirklich toll. Besonders die Oberflächengestaltung hat mir gut gefallen. Das Kopfsteinpflaster, die unterschiedlichen Strukturen der Architektur, alte Ladenschilder. Die schon erwähnten Sonnenreflexe – all das gibt ein wirklich schönes Gesamtbild und man taucht in diese Zeit ein. Die Figuren sind vielleicht ein wenig hölzern – aber dass die sich flüssig bewegen können, so habe ich ja mittlerweile verstanden, ist das Schwierigste überhaupt.
Fazit
Unbedingte Empfehlung zu dieser besonderen Zeitreise. Das ist alles sehr gut gemacht und stellt ein wirklich gelungenes Erlebnis dar. Mir hat auch das gesamte Setting gut gefallen, das um den zentralen Straßenbahnwagen gebaut wurde. Dieser ist von einem Kulissenbauer originalgetreu dem Finchen nachgebaut, der Bahn die früher nach Frechen gefahren ist. Dazu gibt es noch ein Kaiser-Panorama, in dem man durch 3-D-Bilder weitere Ansichten des alten Köln mit heutigen vergleichen kann. Und bevor es in die VR geht, bekommt man über einen wirklich sehr gut gemachten Film noch einmal 2000 Jahre Geschichte Kölns serviert. 8000 Besucher im Monat zeigen, dass die Macher von TimeRide alles richtig gemacht haben. Ein tolles Startup, von dem man sicher auch bald in anderen Städten hören wird!