Viel Motivation für die Zukunft. Die Mai-Tagung 2019


Allgemein, Digitalisierung, Veranstaltungen / Dienstag, Mai 21st, 2019

Zwei Tage vergehen wie im Flug. Die Mai-Tagung war wieder einmal großartig. Diese vom LVR jedes Jahr im Mai organisierte Veranstaltung kümmert sich seit über 15 Jahren um das was wichtig ist im Zusammenhang von Museum und Internet. Zum letzten Jubiläum habe ich auch schon gebloggt und insgesamt zweimal war ich schon selbst unter den Vortragenden. Ich kann also aus mehreren Perspektiven sagen: das ist eine hervorragend organisierte und kuratierte Veranstaltung!

Und jetzt sitze ich zuhause und sortiere meine Gedanken zu den insgesamt 27 Vorträgen und Präsentationen. Ja, ihr lest richtig: 27 – das ist viel Holz. Aber wie jedes Mal ist die Mischung das eigentliche Geheimrezept der Mai-Tagung. Die war dieses Jahr übrigens nach 6 Stunden ausgebucht. Auf Twitter wurde flugs der Vergleich zum Rockkonzert gezogen. Und gerockt hat die Tagung tatsächlich! Wer ALLES mitbekommen möchte, dem seien die fabelhaften Twitter-Zusammenfassungen ans Herz gelegt, die von Tanja Neumann in bewährter Professionalität erstellt wurden (Tag 1 / Tag 2). Großes Kompliment, dass sie immer morgens am zweiten Tagungstag mit der inhaltlich super aufbereiteten Zusammenfassung vom Vortag ankommt. Und es werden ja sicher auch verlässlich die Präsentationen auf der Website der Mai-Tagung eintrudeln. Bei mir bekommt ihr einen Bericht mit allem, was mir wichtig erschienen ist.

Wenn ich richtig nachgezählt habe, dann waren es 22 Frauen, die vorgetragen haben. Ungefähr doppelt so viele, wie Männer. Das finde ich auch einmal erwähnenswert. Zeigt es doch, dass gerade beim Thema Digitalisierung im Museum der Frauenanteil deutlich nach oben tendiert. Im Call for Paper waren u.a. Visualisierung von Daten, Ideen für Beteiligungsformate und das Thema Provenienforschung online angefragt worden. Nach allen Vorträgen hatte man am Ende das Gefühl: die Museen sind jetzt wirklich weit vorne im Digitalen. Man darf allerdings nicht vergessen, dass man hier die Speerspitze sieht, die Avantgarde. Wenn man dann zurück im Alltagsgeschäft ist, sieht das dann wieder ganz anders aus. Aber ich will nicht unken, denn die Mai-Tagung hat gezeigt: es gib so viel Gutes.


Erkenntnis

Digitalisierung hat mit Daten zu tun. Aber vor allem auch mit Menschen. Tanja Praske hatte als erste den Appell formuliert, dass die digitale Strategie von allen am Haus gelebt werden müsse. Dazu passte der Vortrag von Katrin Herbst, die ehrliche Einblicke in das „Teambuilding“ am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg gab. Ihr Vortrag hat mich am meisten von allen überrascht. Sie schlug den Begriff einer Partizipation nach innen vor – aus meiner Sicht eine der Grundvoraussetzungen, um dem geforderten Wandel von Kulturinstitutionen gerecht zu werden. In Nürnberg ist Herbst angetreten, eine Wissensplattform für das GNM aufzubauen. Ein sehr komplexes Projekt, bei dem sehr viel Inhalt klug strukturiert sein will. Mich hat es sehr überzeugt, dass sie da zuerst der Frage nachgegangen ist, wer das Museum überhaupt ist und was es sein will. Erst dann kann man den nächsten Schritt machen und überlegen, für wen man da sein will und muss.

In diesen Kontext passt auch das, was Johannes Bernhardt vom Badischen Landesmuseum in Karlsruhe von der digitalen Strategie seines Hauses berichtet hat. Unterstützt von den Mitteln, die in Baden Württemberg durch das Programm „Digitale Wege ins Museum“ bereit gestellt wurden, hat man da so richtig von Grund auf neu gedacht. Was für ein Aufschlag! Bürgerbeirat, Workshops mit Design Thinking Methoden und Creative Collections Ansatz – alles unter dem Aspekt, individuelle Zugänge für Besucher zu schaffen. Ich finde es großartig, wenn viel experimentiert wird und es auch zur Entwicklung neuer Formate oder sogar neuer Berufsbilder kommt. „Eigentümer der Sammlungen des Badischen Landesmuseums sind die Bürgerinnen und Bürger des Landes. Deswegen ist es nur konsequent, ihnen den Zugang zu ihrem eigenen kulturellen Erbe zu öffnen. Jedes Objekt ist erreichbar. An die Stelle der Eintrittskarte tritt ein Nutzerausweis.“ Dieses Statement von Direktor Eckart Köhne macht den Denkansatz deutlich. Nächstes Projekt ist dann die Eröffnung eines Open Space und die Ausrichtung des Museums als dritter Ort. Dem ein oder anderen mögen vielleicht die Ohren geschlackert haben bei diesem Output. Aber genau so muss es sein, wenn man den Wandel verstetigen will.

Vor allem in vielen Nebengesprächen – dem mitunter ja wichtigsten Teil einer solchen Tagung – kam in mir immer wieder das Gefühl hoch, dass immer noch ein enormer Leidensdruck in den Museen herrscht. Denn gerade bei vielen Leuchtturm-Präsentationen mag einen Frust beschleichen, weil es eben an Ressourcen (Geld und Personal) fehlt. Gerade das Städelmuseum ist ja immer so ein Paradebeispiel mit allem, was die bislang auf die Beine gestellt haben. Aber meines Erachtens kommt es nicht nur auf das Geld an – es geht auch darum, das Mindset neu zu denken. Und aus meiner Sicht könnten Konzepte wie Online Kurse oder digitales Publizieren durchaus auch neue Quellen für Gelderwerb sein. Digitalisierung im Museum bedeutet auch, über die Zukunft der Arbeit nachzudenken.

Struktur

Auch wenn ich glaube, dass es noch viele Leerstellen zu füllen gilt, so konnte man diesmal bei der Mai-Tagung doch den Eindruck gewinnen, dass man vielerorts so richtig angekommen ist im Gestalten des Digitalen. In keiner der von mir besuchten Veranstaltungen vorher wurde so viel über das komplexe Sinngefüge der digitalisierten Daten nachgedacht. Besonders die Präsentation des Zeitzeugen-Portals vom Haus der Geschichte machte deutlich, welche Rahmenbedingungen hier zu diskutieren waren und immer noch sind. Es geht im Wesentlichen um die Logik von Kontextualisierung. Genauso wichtig ist aber auch die Benutzerfreundlichkeit. Das haben sie auf diesem Portal sehr gut gelöst und dafür auch schon einige Design-Awards verdient gewonnen.

Beeindruckend fand ich auch die Präsentation vom Deutschen Optischen Museum in Jena, das sich mit seiner Sammlungsdokumentation nach eigenen Aussagen in Richtung einer digitalen Erlebniswelt bewegen will. Nach einer Grundlagenarbeit mit der Erfassung der Objekte sind die Fragen der Erschließung und Visualisierung dran. Das Team aus Jena legt ein ordentliches Tempo an den Tag und nutzt die bevorstehende Schließung des Hauses, um sich grundlegend digital aufzustellen. Mir erscheint es die Vorgehensweise sehr effektiv und sinnvoll. Sicher von Vorteil: wenn der Chef aus der freien Wirtschaft stammt und die Entscheidungsfindungen sehr zackig abgearbeitet werden.

Es gab auf der Mai-Tagung ein eigenes Panel zum Thema User Daten, Normdaten und Open Data, das durch Thomas Weibel eingeführt wurde, der bereits auf der re:publica viel Applaus eingesammelt hatte. Daten, die an die frische Luft müssen – mir gefällt diese Idee sehr. Und es zeigt das Potential von Open GLAM – auch hier ist ein bewusstes Bekenntnis der erste Schritt, der Vieles ermöglichen kann. Ich würde mir wünschen, dass hier mehr Ressourcen hineingesteckt würden als in noch eine teure App. Denn wenn man dann noch bereit ist, sich mit der Deutungshoheit zurückzuhalten, dann erzielen Projekte wie Coding-da-Vinci einen viel größeren Gewinn! Was unbedingt zu wünschen wäre! Praktischerweise gibt es seinen Vortrag von der republica online.

Kreativität

Ein weiterer erfreulicher Schwerpunkt der Mai-Tagung lag auf der Vermittlungsarbeit im Digitalen. Da ist viel kreativer Umgang zu spüren. Wirklich überrascht hat mich die Präsentation des Game Jams, den Susanne Mayrhofer vom Naturhistorischen Museum Wien vorgestellt hat. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie von Laptop- oder iPad-Klassen erzählt hat, mit denen man dort zusammengearbeitet habe, ist ermutigend. In diesem Umfeld sollten sich auch die deutschen Museen mehr bewegen. Denn da gibt es eine erstaunliche Medienkompetenz. Wie die fabelhaften kleinen Games zeigten, die die Schüler*innen mit Wissen über Mineralien angereichert haben! Großartig auch, wie das Museum sich für Citizen Science einsetzt.

Bei der Memo App, die von Caty Davis Blättermann und Dimostenis Gkantzos vorgestellt wurde, hat mich das Konzept nicht so ganz überzeugt. Richtig gut finde ich den Ansatz, dass man museumsübergreifend etwas einsammeln muss. Die Idee, dass man Geschichten auch über verschiedene Einrichtungen hinweg erzählen kann, gefällt mir. Allerdings ist mir das reine Sammeln von Details, um dann damit einen Avatar zu gestalten, zu wenig. Auch wenn ich den niederschwelligen Zugang durchaus befürworte. In diese Richtung könnte man vielleicht noch ein bisschen mehr denken und richtig ins Erzählen kommen.

Das Stichwort Partizipation wurde nicht nur einmal in den Raum gestellt und die Präsentation von Laura Hollingshaus vom Historischen Museum in Frankfurt machte deutlich, dass es bei allem Digitalen auch darum geht, die Verbindung zum Analogen zu suchen. Oder umgekehrt. Die Schnittstelle zum User Generated Content halte ich für äußerst wichtig und daran anknüpfend stellen sich dann die Frage nach Ermöglichung! Und auch hier taucht wieder auf,  was Open Space, Workspace oder dritter Ort sein können. (Und vergesst die Liebe nicht!) Mein Beitragsbild stammt übrigens aus Lauras Vortrag!

Und dann am Schluss doch nochmal eine App. Mit Spannung erwartet hatte ich die Präsentation (und auch den anschließenden Workshop) zum Thema Chat-Bot. Das ist ein heißes Thema, bei dem künstliche Intelligenz immer noch im Bereich des Wunschdenkens bleibt und das doch hinsichtlich der Vermittlungsstrategien sehr spannend sein kann. Das LVR-Industriemuseum St. Antony Hütte hat gemeinsam mit Pausanio eine App erstellt, in die der Ansatz eines Chat-Bots integriert wurde. Die Macher sprechen von einem Autoren-Bot – ein schöner Kniff, sich der Erwartungshaltung zu entziehen. Denn wenn man sich mit Konzepten vergleichen muss, die es außerhalb der Kulturszene auf dem Markt gibt, dann wird schnell klar, dass man sich da nur verheben kann. Ich beglückwünsche das Museum zu dem Mut, sich dennoch an die Sache heranzuwagen und ich finde, die digitale Wissensvermittlung ist in diesem Falle sehr gelungen. Storytelling mit einer Auswahl aus mehreren Pfaden der Erzählung ist eine gute Idee. Genial, wenn das mit einem CMS hinterlegt wird, in das man unkompliziert Neues einbinden kann. So kann man dann das Bestehende immer weiter anreichern, auch aktualisieren. Was ich ein bisschen schade finde, ist dass das Storytelling nicht genutzt wurde, über mehrere Plattformen hinweg die Menschen zu erreichen.

Und das bringt am Ende alles auf einen schönen Punkt: es gibt noch viel, das es zu optimieren gilt und man kann getrost darauf hoffen, dass neue Entwicklungen einen Schritt für Schritt in die Zukunft begleiten. Wichtig ist bei all dem, auf dem Laufenden zu bleiben. Und vor allem, dass die richtigen Strukturen geschaffen werden, an die man Neues andocken kann. Das gilt aus meiner Sicht gleich auf mehreren Ebenen. Auf der persönlichen Ebene spielt die Bereitschaft eine Rolle, sich fortzubilden und auch entsprechend zu vernetzen. Die institutionelle Ebene ist wichtig, weil hier die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Und auch die kulturpolitische Ebene ist gefragt. Denn ohne deren Förderung auf diesem Wege geht es nicht.

 

 

2 Replies to “Viel Motivation für die Zukunft. Die Mai-Tagung 2019”

  1. Liebe Anke,
    es ist schön, die Mai-Tagung durch Deinen Bericht nochmal Revue passieren zu lassen…
    Vielleicht kommen wir durch alle Begleiterscheinungen der Digitalisierung weg von dem ewigen Hin und Her zwischen Sonder-und Dauerausstellung (so wie durch neue Formate wie das „Stadtlabor“ in Frankfurt oder auch Coding da Vinci).
    Was mit den Daten von Hackathons gemacht werden kann und wie so ein Zusammenschluss aussehen kann, fand ich bei diesem Projekt vorbildlich:
    https://southbaltic.eu/-/balticmuseums-love-it-new-brand-of-gamified-tourist-products-for-sustainable-development-of-natural-and-cultural-heritage-tourist-destinations
    https://www.wa-nord.de/projekte/bildungsprojekte/balticmuseums-love-it/

    Lieben Gruß nach Köln

    1. Lieber Damian,
      ja, solche Projekte sind toll. Und vielleicht auch eine Idee, sich für längerfristige Geschichten mit anderen zusammenzutun. Dafür braucht man aber auch die entsprechenden Strukturen. Und jemand, der EU-Anträge liebt 🙂
      Auf bald. Herzliche Grüße. Anke

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