Museumselfies – Einladung zur Feldforschung


Allgemein, Digitalisierung, Kulturvermittlung, Methoden / Montag, Januar 26th, 2015

Museumselfies. Wir alle konnten gerade beobachten, wie ein Phänomen durch das Netz rauschte, von den Feuilletons aufgegriffen wurde und mitten in kulturpessimistische Einstellungen zur Nutzung von Social Media krachte. Aus den vielen angestoßenen Diskussionen möchte ich hier einmal das herausfiltern, was eine Chance für Museen zum Umgang mit Museumselfies sein könnte.

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Mein Selfie in der Matthew-Barney-Ausstellung im Münchener Haus der Kunst.

 

Christian Gries hat bereits eine fabelhafte Zusammenfassung zum Thema geliefert. Auch seine Sammlung vom diesjährigen Museumselfie Day lohnt das Durchblättern. Interessant, die unterschiedlichen Posen zu betrachten. Einige der Selfies regen meine Fantasie an. Denn mich interessiert das aus der Vermittlerperspektive. Deswegen finde ich es spannend, verschiedene Erscheinungsformen zu beobachten und Diskussionen darüber zu verfolgen. Anne Aschenbrenner hatte auch schon mal in diese Richtung gedacht. Wäre super, wenn wir uns hier mit allen weiter austauschen können.

In einem Artikel schreibt der Kunstkritiker Jason Farago über Museumselfies und bezeichnet diese als Plage. Klar, damit will er wachrütteln und provozieren. Denn auch wenn er unumwunden zugibt, dass er dieses üble Draufhalten schlimm findet, betont er doch die Notwendigkeit, sich damit auseinanderzusetzen. Es sei nunmal eine Tatsache, dass ein großer Teil der Museumsgänger dieses Bedürfnis zur Selbstdarstellung verspüre. Selfies are, let’s face it, the newest scourge of the art museum – and they are not going away, as confirmed by this week’s Museum Selfie Day (really).

Farago betont auch sehr richtig, dass man das Problem (wenn es denn eines ist) nicht auf das Aufsichtspersonal verlagern darf (was aber in der Regel sehr gerne gemacht wird). Einen Impuls für das Nachdenken über Museumselfies liefert mir  Farago mit dieser Aussage: This poses a real challenge to curators and artists, I’d argue, who increasingly have to reckon with exhibition design that takes into account new, probably not better ways of moving among artworks. Ich sehe eben genau hier einen Ansporn für die Vermittlungsarbeit im Museum. Denn deren Aufgabe ist es ja in erster Linie eine Verbindung zwischen Inhalten und Besuchern herzustellen, ihnen Anregungen und Anleitungen für den Umgang mit den Kunstwerken zu liefern. Und wenn wir darüber nachdenken, so dreht sich die Diskussion über Sinn und Unsinn der Museumselfies sich vor allem um die Kunst. Auch in diesem Beitrag.

Kreativer Umgang

Wie könnte nun so ein kreativer Umgang mit dem Selfie-Thema aussehen? Dazu möchte ich gerne auf eine Idee von meiner geschätzten Kollegin Karin Rottmann verweisen, die in der analogen Kunstvermittlung damit gearbeitet hat. Mir gefällt ihr Ansatz, sich für die persönliche Befindlichkeit der Besucher zu interessieren. Das funktioniert natürlich besonders gut mit Kunstwerken, in denen eine emotionale Ebene angesprochen wird. Mit welchen Methoden man hier arbeitet, hängt vom jeweiligen Kontext ab.

Sehr spannend ist auch ein Film von Kara Walker, in welchem sie Besucher beobachtet hat, wie sie sich vor ihrer Sphinx-Figur aus Zucker fotografieren. Die afroamerikanische Künstlern provoziert mit dieser riesigen Figur einer nackten Schwarzen in eindeutiger Pose ganz klar auch entsprechende Reaktionen der Besucher. Deren Selfie-Aktionen stehen für sich selbst und bei manchem Kommentar dieser Art bleibt einem der Mund offen stehen. Wer sich hier die Mühe macht, das zu analysieren, gewinnt bestimmt viele Erkenntnisse für die Vermittlungsarbeit. Möglicherweise wäre es auch eine Chance gewesen, diese Aktionen nicht nur zu dokumentieren, sondern in einem zweiten Schritt die Besucher zu befragen. Hierfür müssen natürlich entsprechende Umgebungen geschaffen werden. Ich entwickele da viel Fantasie, was alles Sinn machen würde.

Rechte klären

Wenn wir über Museumselfies reden, dann geht es selbstverständlich auch um die generelle Frage, ob man im Museum fotografieren darf. Und wenn ja, ob man diese Fotos veröffentlichen/teilen darf. Auf Facebook haben gab es in der Gruppe Museums Web.20er eine sehr spannende Diskussion darüber. Fazit: Wohl dem, der Alte Meister hat 🙂

Nein, im Ernst. Irgendwie scheint es keine einheitlichen Reglungen zu geben. Denn Nutzungen sind nicht nur mit der VG Bildkunst zu klären, sondern oft mit Erben und Leihgebern. Und es ist die große Frage, was als Privatgebrauch angesehen wird und was als Publikation. Wahrscheinlich ist es klug, wenn man die Besucher gezielt auffordert, sich mit Museumselfies zu beteiligen, das Thema Bildrechte zu durchdenken. Es werden in immer mehr Museen Tatsachen geschaffen, an der auch die Rechtsprechung neu ausgerichtet werden muss. Da solche Prozesse allerdings dauern können, bleibt es spannend. Und auch hier gilt: wer grundsätzlich Lust auf solche Aktionen hat und den Mehrwert für die Besucherkommunikation erkannt hat, findet sicher auch unproblematische Werke, die man in den Fokus rücken kann.

Storytelling

Alli Burness, die Initiatorin des Museumselfie-Tumblr (siehe oben) hat in einer Präsentation zusammengefasst, warum sie diese Aktionen befürwortet: „A #museumselfie lets us see a visitor weaving their personal story around, onto, into an object or museum.“

Es braucht nur einen Impuls, den die Besucher aufgreifen können. Ich bin überzeugt, dass man sie nicht großartig überzeugen muss. Denn man kann schon beobachten, dass viele versuchen, mit dem Foto einen kleinen Kommentar abzugeben. Viele stellen die Posen von Personen auf den Bildern nach (zwar kein reines Selfie, aber ein berühmtes Beispiel: Beyoncé im Musée Picasso). Manche bauen sich so in die Szenerie ein, dass sie gemeinsam mit dem Kunstwerk eine kleine Geschichte erzählen.

Mir gefällt auch der Ansatz, eigene Foto-Stationen zur Verfügung zu stellen, die einen Rahmen für die Selbstinszenierung liefern können. Und mit dieser Anregung schließe ich. Lasst uns das Selfie nicht als Plage sondern als Chance betrachten. Was meint ihr?

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Fotostation in der Ausstellung „Ludwig goes Pop“ im Museum Ludwig. Nach Mel Ramos.

 

 

 

 

 

18 Replies to “Museumselfies – Einladung zur Feldforschung”

  1. Liebe Anke,
    ein Thema das auch mich fast täglich beschäftigt. Danke für deinen Artikel. Deiner, wie auch der Blogbeitrag von Michelle (#MuseumSelfies, Fotografierverbote und das Urhebrrecht) zeigen wichtige Punkte zum Thema MuseumSelfie und Bildrechte auf, die auf jeden Fall besprochen werden müssen. Ich habe so gut wie täglich mit dem Thema Bildrechte zu tun und sehe dementsprechend auch fast täglich die Vor- und Nachteile. Ich freue mich aber auch über neue Potentiale und Entwicklungen. Ich bin gespannt, wie diese Diskussion weitergehen wird.
    Viele liebe Grüße aus Bonn
    Stephie

    1. Liebe Stefanie, vielleicht sehen wir uns ja auf dem stARTcamp in Münster und können das weiter diskutieren. Klar, die Verleger- oder Redaktionssicht auf das Thema ist auch noch mal eine besondere. Da spielt natürlich die Frage der Kommerzialisierung eine Rolle.
      Ich kann mir vorstellen, dass wir eine richtig lebendige Diskussion hinkriegen – toll wäre es natürlich auch, wenn mal ein paar Entscheider dazukämen.

        1. Liebe Stephie,
          das wird bestimmt eine volle Session 🙂 Ich werde drauf achten, dass wir nur Postitives sammeln … wir müssen Lösungen in den Blick nehmen. Hilft ja nichts, wenn alle sich immer nur gegenseitig bestätigen, wie doof alles ist …

          Herzliche Grüße von Anke

  2. Guten Abend Anke,

    parallel zu unserer kurzen Unterhaltung auf meinem Blog wollte ich dich auf eine Aktion des MDR hinweisen, der gemeinsam mit vier Museen eine Aktion zu künstlerisch gestalteten Selfies gestartet hat: http://www.mdr.de/mdr-figaro/selfie-mit-kunst-kunstaktion100.html

    Interessant finde ich an der Aktion, dass hier das Konzept #Museumsselfie ganz anders aufgezogen wird. Es sind nicht Selfies aus einem Museum mit Kunst im Hintergrund, sondern Selfies, die durch ihre Ästhetik oder Nachbearbeitung zur Kunst erklärt und dann ins Museum gebracht werden – also genau den umgekehrten Weg gehen.

    Spaßig wäre, noch eine neue Metaebene aufzumachen und später Selfies aus der Ausstellung über die Selfies zu verschicken. Selfieception.

  3. Guten Abend Tobias,
    ja, das klingt lustig. Aber ich finde es doch spannender, wenn Selfies als Besucher-Kommentar in der Auseinandersetzung mit den ausgestellten Objekten ernst genommen werden.
    Dennoch – sicher eine gute Idee, sich des Themas Selbstinszenierung einmal von dieser Seite aus zu nähern. Und Selfies vor Selfies klingt schön dadaistisch 🙂

  4. Hallo Anke,
    das ist ein spannendes Thema. Wenn man als Museum die rechtlichen Probleme umgehen, aber trotzdem zur Interaktion anregen möchte, finde ich die erwähnten Fotostationen eine richtig gute Lösung. Im Freilichtmuseum Den Gamle By in Aarhus hab ich neulich eine interessante Videoinstallation in einer 1970er Hippie-Wohnung gesehen, wo man sich auf einen bestimmten Punkt stellen musste, gefilmt wurde und dann auf dem an die Wand gebeamten Video eine Latzhose und Hippieoutfit verpasst kriegte, das größenmäßig passte. Sah witzig aus und selbst ich musste da mal ein Selfie machen 😉 Und vielleicht – darüber kann man sich streiten – habe ich mich dann ein bisschen mehr in die Zeit eingelebt?
    Viele Grüße, Marlene

    1. Hallo Marlene,
      ja, solche Fotomontagen kenne ich auch. Im Hergé-Museum in Belgien kann man sich so in eine Tim und Struppi Szene einbauen lassen und sich das Foto dann per E-Mail nach Hause schicken lassen. Find ich auch super.
      Ich bin ja immer sehr für niederschwellige Angebote und kann mir schon vorstellen, dass durch so ein Nachstellen der Bilder eine Auseinandersetzung angeregt werden kann. Nicht umsonst funktioniert das ja in der analogen Kunstvermittlung auch ganz gut!

      Ich freue mich sehr, wenn wir dieses Thema weiter in einem großen Kreis diskutieren und vielleicht auch auf den Tagungen und Camps dazu Ideen entwickeln. Aufweichen der restriktiven Bedingungen ist das Stichwort 🙂

      Lieben Gruß von Anke

    1. Hallo Marlene,
      ich werde es in diesem Jahr nicht nach München schaffen. Aber ich hoffe, wir haben wann anders noch mal die Gelegenheit uns persönlich zu begegnen.
      Herzliche Grüße von Anke

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