Mit dem Roboter in die Kunsthalle Emden


Digitalisierung, Kulturvermittlung / Montag, April 30th, 2018

Natürlich würde ich sehr gerne wieder mal nach Emden reisen. Was war das schön, als wir vor zwei Jahren einen Herbergsmütter-Treffen dort hatten. Aber leider ist es doch weiter weg, als ich Zeit habe und so kann ich nur von Ferne mitbekommen, was in der Kunsthalle für schöne Ausstellungen laufen. Via Twitter und Facebook bekommt man ja schon immer wieder Einblicke aus den laufenden Ausstellungen. Das sind aber nur kleine Puzzleteile, die in der allgemeinen Hektik des Alltags viel zu selten ein Gesamtbild ergeben. Wie viel besser das geht, wenn man einmal – und sei es auch nur virtuell – vor Ort die Räume und die Ausstellungskonzeption sehen kann, habe ich bei meiner ersten Roboter-Führung erfahren. Wie das geht und was ich dabei erlebt habe, lest ihr hier.

Schon länger wusste ich von dem Roboter, den das Van Abbemuseum hat. Ich fand es besonders toll, dass dieser vor allem mit einem Inklusionsgedanken angeschafft wurde und man dort wunderbare Erfahrungen gemacht hat, mit Menschen, die physisch nicht mehr in der Lage sind, ihre geliebten Museumsbesuche zu machen. Als ich auf der Tagung zu den Smart Places in Karlsruhe war, lernte ich Marleen Hartjes kennen und ich werde da sicher auch noch einmal mit ihr sprechen, um ihre Erfahrungen im Einsatz des Roboters nachzufragen.

Damals kriegte ich aber – ich glaube es war via Twitter – mit, dass es auch in der Kunsthalle Emden ein entsprechendes Angebot gibt. Sogar kostenlos!!! Und da ich immer sofort dranbleibe an solchen Ideen, schrieb ich kurzerhand eine E-Mail an die Kunsthalle Emden. Postwendend kam eine Antwort von Ann Kathrin Grube, die als Volontärin mit dem Projekt kunst aktiv dort auch die Vermittlungsarbeit mit dem Roboter betreut. Was mich überraschte, war eine direkte Info, dass die Touren nur während der Öffnungszeiten der Kunsthalle möglich seien. Das hatte ich eigentlich gar nicht hinterfragt – aber ich kenne mich natürlich mit den Gepflogenheiten der Museen aus. Wahrscheinlich erweckt so ein Roboter-Angebot beim Publikum direkt den Wunsch, das 24/7 nutzen zu können. Ich finde es schon mal super, dass man seinen Wunschtermin angeben kann und dann sogar theoretisch 3 Stunden Zeit hätte, sich die Ausstellung anzuschauen!

Orientierung im Raum

Bei mir war es am Ende eine knappe Stunde, in der ich in Emden herumrollte. Immer begleitet von Ann Kathrin Grube, die mir auch geduldig alle Fragen beantwortet hat. Zunächst aber hat sie mich einfach mal machen lassen. Ich muss gestehen, das fiel mir anfangs ein bisschen schwer. Und so kam Erkenntnis Nummer eins: die Orientierung im Raum ist völlig anders und man ist da erst einmal unbeholfen. Der Roboter lässt sich übrigens einfach über die Pfeiltasten des Rechners steuern.

Zur Vorbereitung auf den Besuch habe ich ein Booklet zur Ausstellung „The American Dream“ als PDF geschickt bekommen und ich muss sagen, es lohnt sich sehr, sich intensiv vorzubereiten, damit man dann ganz gezielt weiß, was man sehen möchte. Und so konnte ich dann zu Frau Grube auch irgendwann sagen: „Ich möchte gerne mal zum Duane Hanson“ und sie leitete mich dann geschickt durch die Räume, bis wir vor dem Cowboy mit Lasso standen. Eine dieser hyperrealistischen Skulpturen (in diesem Falle tatsächlich aus Bronze, das wirkt schon sehr speziell), die immer sofort zu Besuchermagneten werden.

Bildauflösung und Annäherung

An dieser Stelle muss ich einwerfen, dass die Auflösung des Bildes beim Emdener Roboter nicht so weit ist, dass man minutiöse Details erkennen könnte. Das ist wohl auch ein zentraler Punkt, der vor allem ein finanzielles Thema ist. Der Roboter, den die Kunsthalle Emden erworben hat, kostete eine mittlere vierstellige Summe und da waren dann eben gewissen Grenzen, was die Bildqualität angeht, von vorne herein gegeben. Auch wenn ich denke, dass es toll wäre, wenn man ohne Qualitätsverlust in die Kunstwerke hineinzoomen könnte, gibt es aber auf jeden Fall den großen Vorteil, das Ausstellungskonzept wunderbar nachvollziehen zu können. Wenn man nämlich dann sieht, dass direkt neben Duane Hansons Cowboy ein Foto von Stephen Shore dasselbe Motiv verarbeitet (es handelte sich um den legendären Marlboro-Man), dann ist diese Kontextualisierung ein wirklicher Gewinn, den man sicher beim Durchschauen von Einzelbildern nicht so hätte.

Auch als ich später nach Ann Kathrin Grubes Lieblingsbild fragte, konnte ich den Mehrwert der Roboter-Erfahrung erleben. Das war nämlich ein überdimensionales Porträt von Hillary Clinton. Eine gigantische Bleistiftzeichnung von Karl Haendel. Und obwohl ich den einzelnen Strich nicht erkennen konnte, übertrug sich die Besonderheit des haptischen Impulses, der von dieser Graphit-Zeichnung ausging.

Erkenntnis Nummer zwei: durch die räumliche Beziehung der Kunstwerke untereinander und ihre Positionierung in der Ausstellung vermittelt sich einem das Gesamtkonzept als Kontext.

Fazit

Das Ausprobieren hat sich sehr gelohnt und ich danke Ann Kathrin Grube für die Zeit, die sie mir geschenkt hat. Ich kann mir vorstellen, dass man aus den Erkenntnissen, die man im Einsatz des Roboters gewonnen hat, sicher noch viele Ideen für die Zukunft entwickeln könnte. Eigentlich war die Anschaffung ja der Idee geschuldet, dass man in der Doppelausstellung The American Dream zwei Ausstellungsorte miteinander verknüpfen wollte (der andere Teil wird im niederländischen Assen gezeigt). Auch das ist eine gute Idee, die sich sicher weiterdenken ließe. Mir fällt dazu spontan die Sunflowers-Live-Aktion ein. Dann müsste man z.B. beim Publikum nicht immer voraussetzen, dass die schon selber die Museen dieser Welt bereist haben und aus dem FF dieses und jenes Haus kennen, auf das man sich inhaltlich beziehen will.

Aber natürlich wäre auch der Einsatz in der Form, wie sie im Van Abbemuseum erprobt wird, eine tolle Weiternutzung des Roboters. Es gab anscheinend auch schon Kontakte zu Seniorenheimen. Aber da bestand die übliche Skepsis gegenüber neuen Techniken und vor allem schreckte die Vorstellung, dass die Bewohner ja dann für die Besucher der Ausstellung sichtbar seien. Was aber wäre daran schlimm? Vielleicht kann man in Zukunft mehr Überzeugungsarbeit leisten und auf diese Weise neue Besuchergruppen erschließen.

Übrigens fand ich das besonders nett, dieses kleine Hallo zwischendurch, das ich mit dem ein oder anderen Besucher austauschen konnte. Wäre super gewesen, wenn man mit denen auch noch ein kleines Pläuschchen hätte halten können. Ann Kathrin Grube wusste übrigens zu berichten, dass die holländischen Besucher da wohl auch eher bereit wären!

Vielleicht wollt ihr das ja auch mal ausprobieren, so eine Roboterführung. Ann Kathrin Grube freut sich sicher über weitere Anmeldungen. Innerhalb der Laufzeit von The American Dream, die noch bis zum 27. Mai in Emden zu sehen ist.

Dieses Video der Nordwest-Zeitung gibt einen ganz guten Eindruck von der Roboterführung.