Audioguide im Max Ernst Museum


Allgemein, Kulturvermittlung / Donnerstag, April 19th, 2018

Audioguides sind eine super Sache, wenn man beim Betrachten von Kunst Informationen zugefüttert haben will. Dass sie auch eine super Sache sein können, wenn das Betrachten schwierig wird oder nicht möglich ist, zeigt ein Beispiel aus dem Max Ernst Museum Brühl des LVR. Hier wurde ein erweiterter Audioguide gezielt für Blinde und Sehbehinderte konzipiert. Über zwei Jahre dauerte die Entwicklung und ein Inklusionsberater hat das Ganze begleitet. Dabei entstand ein Hörerlebnis, das im Übrigen perfekt für jeden ist! Oder vielleicht anders herum: wieder einmal habe ich gemerkt, wie gut ein Blick auf die Inklusion der Vermittlung von Inhalten tut! Und wenn dann noch eine so wunderbare Stimme dahintersteckt, wie die von Anna Schudt, dann bin ich vollends begeistert. Aber jetzt hier mal genauer, worum es eigentlich geht.

Der Audioguide ist eine gelungene Zusammenarbeit mit dem LVR-Zentrum für Medien und Bildung und der Kunstvermittlung des Max Ernst Museums. Unter der Regie von Linda König steuerten verschiedene Akteure ihre Erfahrungen bei. Mir haben die Stellen am besten gefallen, wo die kunsthistorischen Erläuterungen ein wenig in den Hintergrund treten. Zugunsten von tollen Sounderlebnissen. Es wurde eigens eine O-Ton-Künstlerin engagiert, die die einzelnen Töne zu wunderbaren Collagen (!) verarbeitete. Stephanie Pütz zeichnet auch für die Texte des Audioguides verantwortlich. Irmgard Schifferdecker hat die Perspektive der Vermittlungsarbeit am Hause beigesteuert und Jürgen Pech brachte sich als wissenschaftlicher Leiter des Max Ernst Museums ein.  Diese unterschiedlichen Perspektiven bekommt man auch im Audioguide mit. Wolfram Fuchs, von Geburt an blind, hat dem Projekt als Inklusionsberater zur Seite gestanden. Und wichtige Hinweise gegeben, welche Aspekte unbedingt für blinde oder sehbehinderte Besucherinnen und Besucher aufgenommen werden sollten. So tauchen in den Beschreibungen immer wieder genaue Größenangaben auf und auch die Raumsituation wird ausführlicher beschrieben.

Ich habe mich ein bisschen mit Wolfram Fuchs unterhalten können, der von Geburt an blind ist. Wie er mir erzählte, ist er nicht unbedingt ein Museumsgänger gewesen und wusste zum Beispiel auch gar nicht, dass viele Häuser durchaus Angebote für Blinde haben. Aber für ihn sei bislang die Musik oder auch Literatur zugänglicher gewesen. Aber die atmosphärischen kleinen Stücke zu den Bildern von Max Ernst haben ihm doch eine neue Welt eröffnet, die er sehr genießen kann.

Das war übrigens auch für Anna Schudt wichtig. Dass die Kunstvermittlung über das Emotionale kommt. Bei der Pressekonferenz berichtete sie dann auch ganz prosaisch davon, dass sie bei vielen Audioguides, die sie bislang so genutzt habe, dachte: das geht doch besser. Eigentlich mag sie es, wenn ihr möglichst viel zu Bildern erzählt wird. Klar, als Schauspielerin achtet sie wahrscheinlich noch viel genauer auf Stimme und Ausdruck! Und da turnt es einen wahrscheinlich sehr schnell ab, wenn Audioguides sich nur auf das rein Faktische verlassen.

Mir gefällt es ausnehmend gut, dass der Audioguide im Max Ernst Museum viele unterschiedliche Stimmen bietet. Es gibt Anna Schudt und Jonathan Schimmer als Sprecher, die mit wirklich tollen Stimmen die Verbindung zum Kunstwerk herstellen. Anna Schudt hat mich sehr berührt. Weil man dem Timbre ihrer Stimme anmerkt, wie sie selber von der Kunst angezogen wird. Der Wechsel zu Schimmers professioneller Theater-Stimme kommt dann aber auch immer wieder gut! Dann spricht Hans Bayer noch Zitate Max Ernsts ein und auch Dorothea Tanning kommt durch zu Wort. Sie wird von Bianca Künzel gesprochen.

Absolutes Highlight sind aber die O-Töne von Max Ernst. Ich hatte gar nicht auf dem Schirm, was für einen rheinischen Singsang der drauf hatte!! Diese Stelle bespricht das wunderbare Capricorn, eines der Hauptwerke, das im großen „Tanzsaal“ des Max Ernst Museums steht.

Meine Lieblingsstelle ist der Schluss, wenn ganz am Ende zu wunderschönen Klängen Anna Schudt das Bild Nocturne IV beschreibt. Hier für euch zum Reinhören:

Das Museum setzt auf den Inklusionsgedanken (es gibt z.B. auch einen Audioguide in leichter Sprache) und hat auch im Treppenhaus eine Taststation eingerichtet. Dort kann man einige Nachgüsse von Max Ernsts Bronzearbeiten berühren. Und die Gegenstände, aus denen er seine surrealistischen Figuren zusammenbaute auch aus einem Fach holen und zusammenbauen. Die Idee, dass man den Schaffensprozess Max Ernsts nachvollziehen kann, scheint besonders beliebt auch bei Kindern zu sein. An dieser Stelle wird allerdings auch noch einmal deutlich: blinde oder sehbehinderte Menschen können diese Angebote nur mit einer Begleitperson nutzen. Auch für den Audioguide brauchen sie Begleitung. Sollte jemand alleine ins Museum kommen, hilft aber auch das Personal. Hier könnte man natürlich überlegen, ob es nicht Möglichkeiten eines taktilen Leitsystems geben könnte, damit dann auch ein selbständiger Museumsbesuch möglich wäre.