Neiiiiin. Natürlich nicht. Kunst, so viel es geht. Nur eben nicht gekünstelt oder geschwurbelt. „More matter with less art“ hatte Shakespeare einst gemeint. (Die Übersetzung mit Inhalt hinkt vielleicht etwas. Matter ist ja eher im Sinne von Bedeutung zu verstehen.) Und das passt mir gerade vortrefflich als Impuls für mein Nachdenken über den viel beschworenen „Content“. „Storytelling“ ist auch so ein Stichwort, das in meinem Kopf gedreht und gewendet wird. Aber ich wollte euch natürlich nicht erzählen, wie es in meinem Kopf aussieht (hoffentlich kann niemand sehen, was da drin wirklich abgeht :-)). Sondern ich möchte hier gerne verschiedene Aspekte inhaltlicher Aufbereitung von kulturellen Stoffen festhalten. Und natürlich auch zur Diskussion stellen.
Content mit Krönchen
Ich stehe dem Buzz-Word ja ein bisschen skeptisch gegenüber. Unlängst schrieb Thomas Knüwer einen launigen Text, der viel Wahres enthält. „Was zur Hölle ist eigentlich Content Marketing? Wer Antworten auf diese beiden Fragen sucht, stößt vor allem auf eines: Allgemeinplätze.“ Jau. Das sehe ich auch für die Kultur so. Und auch wenn zum tausendsten Mal das Mantra von den wahren Hütern großartiger Inhalte gebetet wird. Ich stelle leider immer wieder fest, dass sie misslingt, die Präsentation potentiell spannender Inhalte, die Museen und andere Kulturinstitutionen zweifelsohne haben. Woran hakt es?
„Remember to entertain and inform“ und „You need to decide what you want your audience to focus on and when“ rät Phil Grabsky in seinem Artikel mit „tips for telling stories about art“.
An dieser Stelle ist es geboten, einen Hinweis zu wiederholen, den man nicht oft genug sagen kann. In Zeiten von Content-Flut und Aufmerksamkeits-Mangel ist ein Wettbewerb entstanden. Mir wird das immer wieder bewusst, wenn plötzlich in meiner Timeline zig Hinweise auf tolle Ausstellungen, spannende Theaterproduktionen und interessante Blogartikel von Kolleginnen aufploppen. Da musst du dann auswählen, wem dein Interesse gelten soll. Natürlich ist immer alles geballt gleichzeitig.
Wenn ich an so manche tolle Session von den stARTcamps zurückdenke, so können wir wohl allesamt die Ingredienzien für gutes Content Marketing herunterbeten, oder? Aber wie sagte schon Mephisto so treffend: Grau, teurer Freund ist alle Theorie. Und grün des Lebens goldner Baum.
Content is king, aber Kontext ist Gott. Auch so ein Spruch, der einem häufig begegnet. Ein weites Feld!
Geschichten erzählen
Erzähl mal eine Geschichte. Storytelling ist doch das A und O guten Content Marketings. Na klar. Als Trainerin des Kreativen Schreibens im Museum habe ich da allerdings so meine Erfahrungen gemacht. Die wenigsten trauen sich das Erzählen spontan zu. Ganz so aus dem heiteren Himmel heraus lassen sich nämlich kaum gute Geschichten erfinden. Hier helfen übrigens vorgegebene Erzählstrukturen ungemein. Deswegen kam ich auf die Idee, für ein Tweetup zum IMT 2013, das Prinzip der Heldenreise für die Kulturvermittlung auszuprobieren. Wibke hat dann hier über ihr Projekt mit der Orgelmaus geschrieben, bei dem sie ebenfalls auf diese Struktur gesetzt hat. Ich finde auch sehr spannend, was Jelena und Rebekka mit ihrem Narratool entwickelt haben.
Geschichten erfinden und dann auch möglichst gut erzählen – das macht Arbeit. Gerade bin ich damit beschäftigt, aus der Geschichte Kölns fünf Stories zu extrahieren, die ich für ein bestimmtes Projekt und eine spezielle Zielgruppe aufbereiten muss. Nach dem Recherchieren (ich mag es sehr, mich da treiben zu lassen), geht es ans Reduzieren auf das Wesentliche. Das ist die Kür – lang auswalzen ist vergleichsweise einfach. Aber wenn man nur eine begrenzte Menge an Text zur Verfügung hat, dann muss man sprachlich jonglieren können, damit es funktioniert.
Hier folgen ein paar wichtige Stichworte für ein erfolgreiches Geschichtenerzählen – auch im Netz.
- Neugier (aber natürlich nicht mit fiesem Clickbaiting; und am besten auch nicht von dem ausgehend, was einen selber interessiert, wo man doch gerade so toll im Thema ist)
- Spannungsbogen (eine Abfolge von Tweets zum Beispiel kann auch einer kleinen dramaturgischen Inszenierung folgen; bei besonderen Aktionen lohnt es sich, das Thema rechtzeitig anzufüttern und nicht, wie Kai aus der Kiste auf der Bildfläche zu erscheinen; Höhepunkte einbauen ist immer eine gute Idee)
- von den Besten lernen (wer von euch ein Serien-Junkie ist, dem braucht man über gutes Storytelling nicht viel zu sagen. Alles da! Man muss es nur auf die eigenen Geschichten übertragen. Erkennt ihr auch mein sorgsam abgepinntes Downton Abbey??)
- Emotion (das ist übrigens nicht das Gegenteil von Intellekt; man kann sowohl persönliche und emotionale Geschichten erzählen, als auch relevanten Inhalt verbreiten)
- Identifikationsfiguren (Charaktere, Maskottchen, auch lesenwert: Kerstin Hoffmann hat hier mal beschrieben, wie wichtig „Gesichter“ für die Glaubwürdigkeit im Marketing sind)
Kanalinspektion
Um es inhaltlich ein wenig straffer zu zurren, will ich hier nur kurz auf das Thema „Crossmedia“ und „Transmedial“ eingehen. Also, vorweg gesprochen: man MUSS für jeden Kanal, auf dem man senden möchte, einen genau für diesen geschaffenen Inhalt parat haben. #isso
Natürlich hat man auch hier die Einzelteile des Storytellings in seiner Hand. Nun verteilt man sie geschickt. Zum Beispiel auf Facebook (Bildchen, Filmchen, längerer Text, Alben, Kommentarfunktion mitdenken). Oder Twitter (Sprachspielereien, Gespräche anleiernd). Und welche Medien man sonst noch gerne bespielen möchte. In allen Fällen empfiehlt sich natürlich das eigene Blog, auf dem man sich die Inhalte schön vorlegen kann. Richtig professionell ist es dann, wenn alles miteinander Sinn macht. Also auch schlüssig im Sinne der erzählten Botschaft zusammengeführt werden kann. Und womit muss man auf jeden Fall rechnen? Das macht eine Menge Arbeit!! (Allein schon ein ausgeklügelter Redaktionsplan im Vorfeld ist ne Hausnummer!) Wenn man sich dann noch der Königsdisziplin des transmedialen Erzählens befleißigt – dann sitzt da schon ein ganzes Team dran. Wer davor nicht zurückschreckt, der kann sich ja auch mal im Transmedia Manifest einlesen. Ich würde so ein Projekt wahnsinnig gerne mal im Museum entwickeln. Kennt jemand da ein Beispiel? Mir fällt ad hoc nichts ein, auf das ich verweisen könnte.
Der gespielte Witz – oder was war daran lustig?
Das ist so eine Sache mit den Witzen. Roger Willmensen hat einmal gesagt, dass in jedem guten Witz auch eine versteckte Botschaft enthalten sein müsse. Vielleicht kann man so definieren, was ein guter Witz ist? (Mehr dazu weiter unten).
Gerade im Hinblick auf den Umgang mit der Kunst in den sozialen Netzwerken bin ich verschiedentlich über schlechte Witze gestolpert (und es entbrennt an machem Posting schon mal ein kleines Scharmützel mit Andersdenkenden). Ich muss mal ein Beispiel bringen. Und auch wenn es die Tate war, die auf die Idee kam, dieser Witz war richtig lahm. Hatte keinen Esprit. Es kann natürlich sein, dass mein Englisch den feinen Wortsinn nicht ganz erfasst hat. Mir kommt es aber so vor, als sei es nur ein wenig weitreichender Schenkelklopfer. Was irgendwie auch die zugehörigen Kommentare beweisen. Widersprecht mir ruhig. Ein bisschen ist das mit den Witzen vielleicht auch Geschmackssache.
Über die Erscheinungsformen von Kunst im Netz – auch in Verbindung mit Trivialem – hat Annekathrin Kohout unlängst wunderbar geschrieben.
„Was als Einzelbild einen starken Werkcharakter besitzt, dessen Bedeutung so klar wie unerschütterlich zu sein scheint, wird diesem Status enthoben, indem es variiert und notfalls parodiert wird. Daher sind gerade die Bilder des klassischen kunstgeschichtlichen Kanons, wie „Der Schrei“ von Edvard Munch oder die „Mona Lisa“ von Leonardo Da Vinci, anfällig für Variationen.“
Es geht also um die Frage, ob es nur eindimensional um den kurzen Schockmoment geht oder ob vielleicht durch die Parodie versteckte Botschaften entdeckt werden können. War Marcel Duchamps Idee mit dem Schnurrbart, den er der Mona Lisa anmalte, noch originell, so ist die hundertste Verballhornung der Mona Lisa es einfach nicht mehr. Da muss schon ein neuer Aspekt hinzukommen, als nur das Herunterzerren einer Ikone von ihrem Sockel.
Gerade lachte ich auch sehr über diesen Cartoon zu M.C. Escher. Ich habe zumindest Gefallen daran, mir vorzustellen, Eschers irrationalen Architekturen würden tatsächlich gebaut und wie dann so ein Bautstellen-Leiter daran verzweifeln würde.
Wie dem auch sei. Früher war Witz übrigens auch ein Synonym für den Gebrauch des Verstandes (sic!). Was macht also einen guten Witz aus? Hier ein paar Vorschläge. Verbunden mit einem Plädoyer für mehr gute Witze im Netz.
- Originalität
- versteckte Botschaft
- Überraschungsmoment
- funktioniert ohne Erklärung
Das Ding mit dem Mem ist noch eine Variante, die sicher auch im Zusammenhang mit der Frage nach dem Witz besprochen werden könnte. Aber worüber sprechen wir da eigentlich genau. Oft wird das Mem nämlich gleichgesetzt mit Bildern, die viral gehen. Ein Kunstwerk, das als Mem funktioniert hat, ist übrigens das Selbstbildnis Joseph Ducreux‘ als Spötter (um 1793).
Wenn man das Phänomen aus der kommunikationstechnischer Sicht betrachtet, so macht vor allem das Thema Partizipation und der ungemein wertvolle User-generated content die Runde!
So, jetzt muss ich mich aber dringend wieder meinen Geschichten zuwenden, die noch erzählt werden wollen. Da lauert eine Deadline. Ich wollte das Thema nur mal aus meinem Kopf ins Blog verlagern. Damit man sich darüber austauschen kann. In diesem Sinne: Ich freue mich auf eure Kommentare.
Hallo Anke,
Inhaltsdiskussion ist wichtig, Storytelling interessant… da ist soviel Stoff in Deinem Beitrag, dass ich etwas Zeit zum Setzen brauche…
🙂
Hallo Sabine,
ja, bei Schreiben sind mir direkt jede Menge neuer Ideen gekommen. Man könnte jetzt ins Detail gehen und jeden einzelnen Aspekt noch einmal ausführlicher in den Blick nehmen. Seufz, allein, mir fehlt die Zeit dafür!
Liebe Grüße
Anke
Warum müssen Geschichten eigentlich immer erfunden werden, die Realität bietet in dieser HInsicht doch gar nicht so wenig? 😉
Ja klar, das Leben schreibt sowieso die besten Geschichten. Aber wir sind uns doch einig, dass diese auch gut erzählt werden müssen. Oder meinst du, es reicht, dass man die Realität 1zu1 abbildet?
Die Frage ist, was das heißt, eine Geschichte „gut“ zu erzählen? Geht es um die Spannung oder darum, ein bestimmtes Ziel damit zu erreichen? Meist geht es um eine Geschichte mit einer netten Handlung, die, weil sie so nett ist, die User dazu bringt, etwas zu tun, vorzugsweise ein Ticket zu lösen.
Aber es gibt da die Definition von Karolina Frenzel (in: Storytelling – Das Praxisbuch): „Storytelling heißt, Geschichten gezielt, bewusst und gekonnt einzusetzen, um wichtige Inhalte besser verständlich zu machen, um das Lernen und Mitdenken der Zuhörer nachhaltig zu unterstützen, um Ideen zu streuen, geistige Beteiligung zu fördern und damit der Kommunikation eine neue Qualität hinzuzufügen.“
Der gezielte Einsatz findet meist nicht statt, was schade ist und bedeutet, dass das eigentlich kein Storytelling ist. Ich glaube nicht, dass die Realität 1:1 abgebildet werden sollte, es geht um Ereignisse und die Frage, wie ich davon erzähle bzw. was ich auch weglassen kann, weil es meinem Ziel nicht dient.
Ich bin absolut dafür, dass man Ziele hat, die man mit einem guten Storytelling verfolgt. Wenn das alles keine Relevanz hat, was man erzählt und letzten Endes auf der Stelle tritt, dann ist das überflüssig. Ich habe es auch schon erlebt, dass man sich ein Ziels gesetzt hat, nur angekommen ist man dann mit der Geschichte nie. Weil man eben dann das Erzählen an sich für nicht so wichtig hielt.
[…] http://www.kulturtussi.de/mehr-inhalt-wenger-kunst/ […]
Hallo Anke und alle Mitlesenden,
hier mein Weiterfragen dazu im Blog; danke für Deine Anregungen 🙂 :
https://sabinepint.wordpress.com/2016/02/26/inhalt-und-form/
Super Sache. Ich habe den Ball aufgenommen und drüben bei dir zurückgespielt.
LG
Anke
Liebe Anke,
herzlichen Dank! Dass Du Dir soviel Zeit nimmst für’s „Ping-Pong“ find‘ ich wunderbar. Ich versuche, in einer Antwort unsere Sichtweisen zu verbinden; dafür brauch‘ ich’n bisschen… 😉