Es liegen bewegte Wochen hinter den Kulturinstitutionen und den Menschen, die für sie arbeiten. Die Situation des Lockdown angesichts der Corona-Pandemie war ein Schock, auf den niemand vorbereitet war. So langsam treten wir in die Phase erster Lockerungen ein. Es wird aber noch sehr lange dauern, bis wir zu einem gewissen Grad an Normalität zurückkehren werden. Was ich spannend finde: gerade jetzt wird so manches auf den Prüfstand gestellt. Und da kommt eine Blogparade wie die von Jörn Brunotte natürlich wie gerufen. Eigentlich fragt er dort nach den Erfahrungen der Museen, aber er lud mich ein, über meine Sicht zu schreiben. Da ich es allemal gut finde, den Blick zu erweitern und von außen auf die Museen zu schauen, will ich gerne zu dieser Blogparade beitragen.
Wie die Museen sich gerade fühlen, hat Daniela Sistermanns vom Marta Herford in einem sehr lesenswerten Beitrag dargelegt. Sie beschreibt darin, wie sich das Team davon getragen fühlt, dass die Besucherinnen und Besucher ihnen ihre Wertschätzung so deutlich zeigen. Das ist meines Erachtens nicht nur ein Zeichen der Sehnsucht nach Kultur. Sondern vor allem ein Ausdruck der Solidarität mit einem Haus mit dem man sich verbunden fühlt. Diese Verbundenheit ist ein perfekter Indikator dafür, wie gutes Community Building funktioniert.
Wibke Ladwig hat in ihrem Beitrag darüber geschrieben, dass sie immer noch recht skeptisch auf die ganzen Öffnungsszenarien blickt. Und betont, dass die Zeiten von Social Distancing eigentlich gezeigt haben, welche Bedeutung dem digitalen Besuch zukommen kann. Ich teile ihre Meinung, dass den digitalen Besucherinnen und Besuchern die gleiche Aufmerksamkeit zukommen muss, wie den analogen. Es ist genau jetzt an der Zeit, diese Einschätzung auch in das strategische Denken aufzunehmen.
Kulturvermittlung in Zeiten von Corona
Es wird viel von Kulturvermittlung gesprochen in diesen Tagen. Das sehe ich gerne, zeigt es doch, dass genau jetzt die Stunde derjenigen geschlagen hat, die sonst gerne als nachrangige Disziplin im Ökosystem der Kulturproduktion gesehen wurden. Wobei wir schon ein erfreuliches Aufbrechen hierarchischer Strukturen sehen und die Vermittlung viel öfter als früher von Anfang an in Projekte eingebunden wird. In der Zeit des Lockdown sah ich an so vielen Stellen Angebote aus dem Bereich der Vermittlung – kleine Erklärfilme, DIY-Anleitungen und natürlich reihenweise Führungen. Wir lernten viele Vermittlerinnen und Vermittler persönlich kennen und so manch Haus war froh, auf die Expertise und die Ideen aus dieser Abteilung zurückgreifen zu können.
Ich möchte aber gerne an dieser Stelle noch einmal an die vielen Kolleginnen und Kollegen da draußen appellieren, sich stärker mit den Rahmenbedingungen der Digitalität auseinanderzusetzen. Um die Erfahrungen, über die sie im Analogen verfügen, auch nutzbar für die digitalen Angebote zu machen. Denn dort ist meiner Ansicht nach noch viel Luft nach oben, wie ich bereits an anderer Stelle ausgeführt habe. Und ich frage mich auch, ob die Vermittlung nicht in manchen Fällen zu eindimensional gesehen werden. Ich meine, es braucht mehr Konzepte für eine differenzierte Vermittlung, die über rein affirmative Ansätze hinausgehen. Wie seht ihr das?
Gedanken zur Transformation
Mir kommt das Stichwort Rahmenbedingungen in den Kopf: es gibt an dieser Stelle viel zu tun, damit wir gute und sinnvolle Vermittlungsangebote entwickeln können. Welches Mindset hinter der Digitalität steckt, das wurde sehr gut nachvollziehbar in einem Webinar der Kulturpolitischen Akademie dargelegt, das ich euch gerne zum Nachsehen empfehlen will. Mir wird immer bewusster, dass die Kulturvermittlung stärker auch in den kulturpolitischen Diskurs einsteigen muss. Nicht nur, um ihre Ansprüche für Gestaltung von Kulturinstitutionen der Zukunft zu reklamieren. Sondern auch um sich selbst noch intensiver mit der eigenen Rolle auseinanderzusetzen und eine entsprechende Lobby zu haben. Ganz besonders im Zusammenhang des digitalen Wandels.
Entscheidend wird zukünftig auch sein, die Möglichkeiten zu erkennen, das Analoge gewinnbringend mit dem Digitalen zu verbinden. Es gilt, das digitale Publikum besser einschätzen zu können und sich entsprechend dieser Erkenntnisse neu aufzustellen. Dass man aber innovative Formate nicht mal eben nebenbei erfinden kann, sollte jedem klar sein. Auch, dass man für ein wirklich nachhaltiges Audience Development viele Schritte gehen muss. Denn natürlich erreichen wir zunächst einmal mit den bisherigen Angeboten all diejenigen, die wir schon kennen. Man muss zum Beispiel auch den Outreach-Gedanken stärker im Hinblick auf das Digitale fokussieren. Das wäre für mich ein lohnenswerter Ansatz – gerade jetzt!
Wie kommen wir denn jetzt in die Praxis?
Unlängst war ich bei der Europeana eingeladen, zu einem Webinar beizutragen, in welchem sich die Educator Community getroffen hat. Dort ging es um Projekte, die Kultur zu vermitteln wenn zum Beispiel die Schulen geschlossen sind. Die Arbeit mit Schulklassen ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt der analogen Kulturvermittlung und das Wegbrechen dieser Besuche in Museen und Kultureinrichtungen hat massive Auswirkungen gehabt – auf beiden Seiten. Denn auch Schülerinnen und Schüler fehlte der kulturelle Input! Vor diesem Hintergrund war ich sehr beeindruckt, welche Fülle an digitalen Schul-Projekten es auf der Europeana schon gibt. Isabel Crespo hat in ihrem Input die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten im schulischen Kontext vorgestellt. Ich denke, dass man dort eine Fülle von Anregungen bekommen kann und viele Ansätze findet, die sich auf eigene Projekte übertragen lassen.
Super spannend war auch der Input von Emma Abbate, die über Projekte mit Schulklassen berichtete, in denen sie angeregt hat, kulturelle Inhalte in Minecraft zu implementieren. Die Verbindung zwischen Kulturvermittlung und Gaming ist aus meiner Sicht äußerst gewinnbringend. Nicht nur, was den Faktor der Motivation angeht. Ich verweise gerne auch auf die Untersuchungen von Sabine Görner auf diesem Feld.
Mein Input für das Europeana-Webinar bezog sich auf die Kulturvermittlung im digitalen Raum. Diese muss man gesondert in den Blick nehmen, denn in der Regel interagiert man hier nicht mit Gruppen, die einen aufsuchen. Also spielen Fragen der Erreichbarkeit, der Anschlussfähigkeit an die Lebenswirklichkeiten der unterschiedlichen Gruppen eine andere Rolle. Und ich hatte natürlich nicht speziell die Klientel der Schülerinnen und Schüler im Blick. Kulturvermittlung im digitalen Raum richtet sich vor allem an spezielle Social Media Communities. Man könnte auch von der Filterblase der kulturinteressierten Netzaktivisten sprechen. Aber die ist ja nicht per se schlechter als andere.
Als Beispiel hatte ich #wastingtimewithart im Gepäck. Was es mit diesem Projekt von der Kunsthalle Karlsruhe auf sich hat, könnt ihr bei den Herbergsmüttern nachlesen. In einem ausführlichen Blogpost, der jede Menge Material für die Ideenfindung beinhaltet. Als nächstes habe ich noch vom Ansatz der Community of Practice gesprochen, den ich zum Beispiel beim neu ersonnenen Format des Goethe-Morgenmagazins sehe, welches das Goethe-Museum in Düsseldorf auf Instagram an den Start gebracht hat. Schaut da gerne mal vorbei!
Fazit im Sinne von #closedoropen
Für mich persönlich stellt sich die Frage nach Öffnung oder Schließung eines Museums gar nicht. Für die Einrichtungen ist es natürlich ein zentrales Anliegen und ich muss sagen, ich habe mir vor Corona auch nicht so viele Gedanken über die Höhe der Einnahmen durch Eintrittsgelder gemacht. Das ist schon entscheidend. Wobei ich auch denke, dass man auch die Angebote im Digitalen nicht immer kostenfrei zur Verfügung stellen soll. Hier lohnt es sich, über neue Erlösmodelle nachzudenken.
Generell ist es jeweils natürlich individuell zu betrachten, ob man jetzt ein perfektes Hygiene-Konzept gefunden hat und öffnet. Oder ob es Bedingungen gibt, die einen dazu zwingen, noch eine Weile die Schotten dich zu halten. Ich vertraue da auf die Verantwortung all derjenigen, zu deren Job das gehört.
Was ich aber viel wichtiger finde: Öffnung in einem anderen Sinne zu betrachten. Und zwar unabhängig davon, ob man gerade eine Phase der tatsächlichen Schließung durchlaufen muss. Wenn es ein Lernen aus der Ausnahme-Situation der Corona-Pandemie gibt, dann ist es dies: Experimente wagen, rausgehen zu den Menschen, sich zeigen und relevant bleiben, wenn alles in Frage gestellt wird und existentielle Nöte auftauchen. Ein Gewinn ist es, wenn Kultureinrichtungen sich als zugänglich erweisen. Als Ort aber auch im Sinne von Ansprechbarkeit und Offenheit für das, was die Menschen umtreibt. Dann wird alles gut! Wir haben erlebt, wie unterstützend und aufbauend Kultur sein kann. Diese Rolle steht den Einrichtungen besonders gut und ich würde raten: setzt in Zukunft weiter darauf.