Mood for Art – Ein Projekt der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe


Digitalisierung, Kulturvermittlung / Dienstag, August 4th, 2020

Mit der mobilen Website „Art of“ hat die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe einen besonderen Ansatz der Kunstvermittlung verwirklicht. Ich habe mir die Seite einmal genauer angesehen und beschrieben, welches Potenzial in solchen Projekten steckt.

Der spielerische Umgang mit Kunst ist ein wichtiger und richtiger Weg, um die Chancen zu bewahren, einen größeren Kontext zu vermitteln. Komplexe Inhalte lassen sich nämlich erst dann gewinnbringend vermitteln, wenn ein generelles Interesse vorhanden ist. Für ein solches Interesse gibt es unterschiedliche Motivationstrigger. Einer davon ist sicherlich die Neugier, eine zutiefst intrinsische Motivation! Neugier geht einher mit der Lust, Neues entdecken zu wollen.

Eine schöne Idee bei „Art of“ ist der Moodtracker. Der ist nach unterschiedlichen Themen sortiert, die von Tattoo-Motiven über Morgenroutinen bis zu Interior Design zu kleinen Abfrage-Spielen anregt. Als Ergebnis werden genau die Kunstwerke angezeigt, die anhand der persönlichen Vorlieben passend erscheinen. In den Auswahlmöglichkeiten findet sich eine gelungene Mischung aus Stilrichtungen, die nicht nur aus der Kunstgeschichte bekannt sind, sondern durchaus auch von Instagram kommen könnten (Boho, Mid-Century Modern). Es scheint mir ein guter Plan, die Routinen der sozialen Netzwerke zu kennen und damit eigene Angebote an die Lebenswirklichkeit eines jüngeren Publikums anzubinden!

Kunst vom Sockel auf das T-Shirt

Wie ist die typische Haltung beim Betrachten eines Kunstwerks im Museum? Standbein – Spielbein. Arme vor der Brust verschränkt. Kopf ein bisschen schräg. Anfassen verboten! Ja, es gibt gute Gründe dafür, dass wir keinen Handstand vor einem Bild machen. Und natürlich halten wir den gebührenden Abstand, um nichts zu beschädigen. Aber bedingt das alles nicht auch eher eine gewisse Passivität, die nach einiger Zeit vielleicht sogar ermüden kann? Diese Beobachtung trifft nun auf die Tatsache, dass wir uns in einem gesellschaftlichen Wandel befinden. Dieser bringt mit, dass die Bedürfnisse der Besucherinnen und Besucher sich verändern; Stichwort Prosumer. All das schafft besondere Rahmenbedingungen für die Aufgabe, Kunst zu vermitteln.

An dieser Stelle möchte ich kurz abschweifen und mich als absoluter Kunst-Merchandising-Fan (ist das eine Tautologie?) outen. Ich kann an keinem Museumsshop vorbeigehen, ohne nicht wenigstens ein Magnet oder einen Bleistift zu erwerben. Gleichzeitig habe ich schon den ein oder anderen Versuch unternommen, eigene Produkte zu erstellen, die allerdings alle daran krankten, dass sie erstens nicht meinen ästhetischen Ansprüchen genügten und andererseits nicht besonders haltbar waren. Ihr könnt euch meine Freude nicht vorstellen, als ich Art of Creating Stuff entdeckt habe. Über mein T-Shirt-Motiv musste ich nicht lange nachdenken. Große Wiedersehensfreude!

Kunst verändern, Details ausschneiden oder kleine Schweinchen hinzufügen – das ist auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig. Und ich kann mir auch einen Chor aus Stimmen vorstellen, die sich kulturpessimistisch dagegen verwahren. Weil sie Kunstwerke generell für unantastbar halten. Versteht mich nicht falsch. Ich möchte auch nicht, dass man die Originale anfasst oder damit rumspielt. Das Bedürfnis, sich zumindest gedanklich damit auseinanderzusetzen, etwas zu verändern oder ein Detail herauszunehmen – das kann man doch eigentlich nur gut heißen, oder? Die Kontemplation (konzentriert-beschauliches Nachdenken und geistiges sich versenken in etwas) hat absolut ihre Berechtigung! Aber ist sie die einzige Weise, wie man mit Kunst betrachten sollte? Ich habe für mich festgestellt, dass ich oft erst durch die Fokussierung auf bestimmte Kleinigkeiten einen Zugang zur Kunst erhalte. Auch wenn ich die Kunst in einen anderen Zusammenhang bringen darf, bringt mir das Erkenntnisgewinn.

Das Ziel für die Kunstvermittlung ist klar: es ist anzustreben, eine Beschäftigung mit dem Werk in Gang zu setzen. Allerdings sehe in vielen Vermittlungsansätzen das Problem, dass beim ersten Kontakt schon der gesamten Kontext aufgebaut wird. Es gibt ja auch immer so viel zu wissen, der Zusammenhang ist in der Regel sehr komplex. Und wir haben es ja auch nicht anders gelernt. Ich kann heute noch die Themen meiner Zwischenprüfung im Schlaf herunterbeten. Je mehr wir wissen, desto besser. Oder nicht?

Mir kommt beim Nachdenken gerade der Aufmerksamkeits-Trichter in den Sinn. Den kennt man aus dem klassischen Marketing und er beschreibt das AIDA-Prinzip: Aufmerksamkeit – Interesse – Desire (Verlangen) – Aktion. Soweit so bekannt. Die große Herausforderung ist in diesem Konstrukt, nicht nur den ersten Impuls für Interesse zu liefern. Sondern dieses auch über verschiedene Phasen des Kontaktes hinweg aufrecht zu halten. Und das kann man prima auch auf die Beschäftigung mit der Kunst übertragen, wobei da am Ende nicht der Kauf eines Schuhes steht, sondern das Konsumieren von tiefer gehenden Inhalten. Ich finde, diese Aufgabe bei „Art of“ sehr gut gelöst. Man entdeckt an vielen Stellen auf der Seite kleine Häppchen, die ein Interesse für mehr anfüttern können. So liest man zum Beispiel unter dem Kunstwerk, das man zur Bearbeitung auswählt, keinen ausführlichen Text über den Hintergrund (den sowieso keiner lesen würde #isso). Sondern zwei Sätze. Wohl gewählt und neugierig machend. Ein besonderes Lob haben übrigens auch die Texte in Leichter Sprache verdient, die zusätzlich zu den Q&A (klare und transparente Projekt-Infos!!) im Menü angesteuert werden können!

Die Internet-Seite Art of hat verschiedene Bereiche.
Zum Beispiel den Bereich Creating Stuff.
Das heißt übersetzt: Kram machen.
Hier kann man Bilder bearbeiten.
Man kann sie verändern.
Man kann sie speichern.
Und man kann sie verschicken

Sich die Zeit nehmen und damit verschwenderisch umgehen – das klingt komisch heutzutage , da wir doch eher die Selbstoptimierung und höchste Effizienz anstreben sollten. Aber wie kommt denn dann Neues in die Welt? Neues entsteht vor allem dort, wo Themen und Dinge zusammenkommen, die normalerweise nichts miteinander zu tun haben. Wenn man nicht gezielt nach etwas sucht, aber plötzlich eine überraschende Entdeckung macht. Ich feiere das Prinzip der Serendipitität! Und das ist einer der Gründe, warum ich „Art of“ feiere und mich schon auf Teil 3 der herrlichen Zeitverschwendung freue.

Dieser Blogbeitrag entstand im Rahmen meiner bezahlten Kooperation mit der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.

4 Replies to “Mood for Art – Ein Projekt der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe”

  1. Vielen Dank für die Vorstellung des interessanten Projekt. Die Ideen und die Umsetzung sind wirklich hervorragend.
    Jedoch stellt sich für mich die Frage, wie die „museumsferne Zielgruppe“ auf dieses Angebot aufmerksam gemacht werden soll? Denn bloß das Angebot online für jeden verfügbar zu machen, reicht ja heutzutage nicht aus. Und somit steht man wieder vor dem gleichen Problem: wie erreicht man die Menschen, die nicht ins Museum gehen?

    1. Das Erreichen von Zielgruppen, die nicht zum Stammpublikum gehören, ist ein sehr komplexes Unterfangen. Wenn es gar an die museumsfernen Gruppen geht, dann muss man sicher nochmal richtig in die Trickkiste (Outreach) greifen.
      Das Team der Kunsthalle hat begonnen mit Online-Multikplikator:innen zusammenzuarbeiten und wird sicher noch weiter am Ball bleiben.
      Ich gebe hier mal den Link zu einem sehr guten Interview drüben bei musermeku rein, da wird vom Team noch mehr über die Hintergründe gesprochen
      https://musermeku.org/art-of-kunsthalle-karlsruhe/

        1. Liebe Charlotte,

          das Projekt ist wirklich ein Highlight. Wie oben schon gesagt, lohnt sich der Beitrag drüben bei Musermeku zum Weiterlesen.
          Und probiere ruhig mal aus, was moodfor.art alles kann.

          Liebe Grüße
          Anke

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