Wie mir das mit dem Internet passiert ist


Digitalisierung, Kulturvermittlung / Montag, Juni 17th, 2019

Ich bin Kunsthistorikerin und gehe langsam auf die 60 zu. Das sind eigentlich zwei Voraussetzungen, die mich nach landläufiger Meinung aus der Gruppe derjenigen kickt, die sich selbstverständlich im Netz bewegen. Natürlich bin ich auch alles andere als digital Native und ganz sicher kein Nerd, Geek oder Vertreter sonstiger Gruppierungen, denen die Nähe zum Digitalen nachgesagt wird. Aber …

Weil meine lieben Kulturfritzen zu einer Blogparade aufgerufen haben, zu der Beiträge zu #MeinWegInsNetz erbeten werden, habe ich nochmal nachgedacht, wie ich da rein geraten bin. Ins Netz. Und mir wurde bewusst, dass sich da eigentlich all meine beruflichen Erfahrungen plötzlich zu einem guten Plan verbunden haben.

Seit meinem Studium habe ich eine Menge Texte verfasst. Meist zielten die auf eine einmalige bestimmte Nutzung ab und oft fand ich es schade, dass die mit viel Herzblut erstellten Texte in der Schublade verschwanden. Meine Magister-Arbeit über Kaffeehausszenen zum Beispiel. Und so manches mehr. 2006 beschloss ich, zu bloggen. Einfach so, weil ich es wollte. Und der Name fürs Blog fiel mir auch spontan vor die Füße: Kulturtussi. Ich wollte etwas, das locker und mit einem gewissen Augenzwinkern gemeint war. Und wo ich – damals noch ohne eine besondere Leserschaft im Blick – einfach frei so schreiben konnte, wie ich das für richtig hielt. Damals gab es noch nicht so viel Grundrauschen – schon gar nicht in der Kulturszene. Und ich bekam sehr schnell Kontakt zu anderen Bloggerinnen und Bloggern. Strategisch war das überhaupt nicht gedacht. Erst später bin ich da etwas zielgerichteter vorgegangen. Was aber das Bloggen insgesamt etwas mühseliger gemacht hat. Irgendwie war es mir früher egal, welche Besucherzahlen ich einsammelte.

Aber mein Weg ins Netz begann eigentlich schon sehr viel früher. Und er endete damals leider in einer Sackgasse. Für den Museumsdienst habe ich 1995 das Symposium „Zwischen Malkurs und interaktivem Computerprogramm“ organisiert. Das war zu einer Zeit, als man noch heftigst darüber stritt, wie sinnvoll es denn sei, dass die Kölner Museen im Netz vertreten seien. Und anlässlich der fabelhaften Aktion #kohle60 habe ich da nochmal im alten Tagungsband nachgeblättert. Und es hat mich sehr überrascht, dass wir über so manches, was da gedacht wurde, immer noch nicht hinaus gekommen sind.

Im Nachgang dazu schrieb ich in der Publikation „Museumspädagogik in Köln“ den Text „Museumspädagogik und neue Kommunikationstechnologien“ und erarbeitete ein Konzept für „Schulen ans Netz“, für das die Telekom damals beim Museumsdienst angeklopft hatte. Leider gab es außer mir niemanden, der das von Museumsseite hätte umsetzen wollen. Inhalte für einen digitalen Klassenraum zu gestalten, sah man überhaupt nicht als Aufgabe der Museen. Wenn ich den zwanzig Jahre alten Text heute nochmal zur Hand nehme, dann bin ich wirklich erstaunt:

„Wenn jedoch die Museen ihre Rolle im Informationszeitalter selbstbewusst wahrnehmen und die digitale Nutzung ihrer Schätze mitbestimmen, kann sicher ein konstruktiver Weg eingeschlagen werden. Wird zudem auch akzeptiert, dass der kompetente Umgang mit den neuen Medien auch eine Herausforderung an das Bildungssystem – und in diesem will sich ja auch die Institution Museum wiederfinden – sein kann, erst dann kann auch sinnvoll über die theoretischen Grundlagen des Einsatzes der neuen Kommunikations-Technologien nachgedacht werden.“

Klingt wie etwas, das ich heute genau so auch auf dem stARTcamp in Wien sagen könnte, auf das ich mich jetzt schon sehr freuen. Wenn ich mir das vor Augen führe, dass ich das 1998 geschrieben habe, dann komme ich mir so alt vor. Manchmal beschleicht mich die Trauer über die Vergeblichkeit aller Bemühungen, die man da seitdem angestellt hat. Ja, Leute, ein wenig Frust ist auch mit dabei. Ich bin dann leider auch nicht hartnäckig am Thema drangeblieben und habe mich anderen Dingen zugewandt. Aber dann gab es wieder so viele tolle Menschen, die etwas voranbringen wollten. Hurra, vorwärts! Und auf Umwegen bin ich wieder an der Stelle gelandet, an der ich damals aufgehört habe.

In die sozialen Netzwerke trieb es mich dann ab 2008 – zunächst auch ganz privat (meine Tochter war mit 16 Jahren ein halbes Jahr in Mexiko und es war einfach, darüber Kontakt zu halten). Als ich dann mit immer mehr Menschen aus meinem beruflichen Umfeld Kontakt aufnahm, verschob sich diese private Nutzung. Der Durchbruch kam mit der Idee, einen Kulturtwittwoch ins Leben zu rufen, auf dem ich dann Ute Vogel und Wibke Ladwig kennenlernte. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der Rest ist Geschichte 😉

Und das ist am Ende wiedermal mein Credo: es geht im Netz darum, dass Menschen sich mit Menschen austauschen. Dass sie voneinander lernen, sich gegenseitig inspirieren und gemeinsam das Netz gestalten. Und deswegen ist es für mich auch der Ort geworden, in welchem ich mich beruflich schwerpunktmäßig engagiere. Denn es gibt noch viel zu tun! Packen wir es an! (Na, wer kennt den Klassiker noch?)

Liebe Grüße an euch alle, mit denen es immer wieder viel Spaß macht in diesem Internet!

2 Replies to “Wie mir das mit dem Internet passiert ist”

  1. […] Rainer Glaap: 1984 – Meine erste Stelle in der IT-Branche Christian Gries: Once Upon A Time. Zwischen Kittler, Beltracchi und der Kugelschreibermaschine Damian Kaufmann: Mein Weg ins Netz Mikel Bower: Ach zwanzig Jahre, echt? Ute Vogel: Mein Weg ins Netz Hans-Jürgen Schatz: Man darf vom Netz keine Wunder erwarten Christian Henner-Fehr: Über die Anfänge meiner Netzbiografie Anke von Heyl: Wie mir das mit dem Internet passiert ist […]

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