Thinking Kunstvermittlung


Kulturvermittlung / Dienstag, Februar 28th, 2017

Dieser Blog-Beitrag entstand als bezahlter Auftrag („Sponsored Post“) der PLATFORM München.

Im Sommer vergangenen Jahres veranstaltete die PLATFORM München eine Tagung, die sich mit neuen Denkweisen und Methoden im Design beschäftigte. Aus diesem Impuls ist eine Publikation entstanden, die in Kürze veröffentlicht wird. Hier erweiterte man den Kreis der Mitdenker um Künstler, Architekten und andere Kreative. Zur Buchpremiere veranstaltet die PLATFORM nun eine Social Media Aktion, bei der auch eine Blogparade angestoßen wurde. „Visionen gestalten“ lädt alle ein, Gedanken, Sichtweisen und Ideen zur Zukunftsgestaltung beizusteuern. Ich freue mich besonders, dass ich gebeten wurde, über mein Lieblingsthema Kunstvermittlung im Museum zu bloggen.

„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“ So raunzte Helmut Schmidt einst. Für mich hingegen sind Visionen der Schlüssel zu Veränderungen. Denn einer bildlichen Vorstellung lässt sich doch viel besser folgen als wagen abstrakten Ideen. Meinetwegen kann es gar nicht genug Visionen geben. Auch für die Kunstvermittlung sehe ich noch viel Luft nach oben, was neue Wege angeht. Eine vielversprechende Richtung (und wichtige Aufgabe für die Zukunft) ist für mich zum Beispiel die Verschränkung der Online- und Offline-Welt.

Wenn (…) die Museen ihre Rolle im Informationszeitalter selbstbewusst wahrnehmen und die digitale Nutzung ihrer Schätze mitbestimmen, kann sicher ein konstruktiver Weg eingeschlagen werden. Wird zudem auch akzeptiert, dass der kompetente Umgang mit den neuen Medien eine Herausforderung für das Bildungssystem (…) sein kann, kann auch sinnvoll über die theoretischen Grundlagen des Einsatzes der neuen Kommunikationstechnologien nachgedacht werden.

Das habe ich für einen heute vergriffene Publikation zur Museumspädagogik in Köln geschrieben, die genau vor 20 Jahren veröffentlicht worden ist! Es spricht Bände für die Entwicklung der Kunstvermittlung, dass sich das heute nicht wie von gestern liest.

Aber nun blicken wir ja nach vorne. Und ich darf einige Wünsche für die Zukunft formulieren. Da trifft es sich gut, dass mir die PLATFORM einige Fragen mit auf den Weg gegeben hat, deren Beantwortung meiner Vision einen passenden Rahmen verleihen.

Was ist ein Wunsch von Dir für die Welt in 20 Jahren?  Was muss sich heute ändern, damit das erreicht werden kann?

Dass Kunst und Kultur eine zentrale Rolle im Bildungssystem spielen. Klar, es ist auch wichtig für junge Menschen zu wissen, wie man eine Steuererklärung macht. Aber ich wünsche mir, dass die Bedeutung kultureller Bildung für die geistige Gesundheit einer Gesellschaft erkannt wird. In diesem Zusammenhang gäbe es dann nämlich mehr Geld für eine gezielte Förderung innovativer Vermittlungsansätze. (Und für die Nachhaltigkeit bereits entwickelter.)

Was wird und muss sich in den nächsten Jahren im Bereich Kunstvermittlung im Museum verändern?

Ich wiederhole hier gerne meine beiden Mantren, die ich seit Jahren nicht müde bin vor mich herzusagen: Es muss vom Besucher her gedacht werden. Und Kunstvermittlung ist mehr als das Aufsagen von Faktenwissen. Für mich ist das Museum ein besonderer Raum und die Kunstvermittlung der Zukunft hat die Aufgabe, den Besuchern eigene Erfahrungen mit der Kunst zu ermöglichen. (Hierzu ein Lesetipp!)

Welche konkreten Entwicklung/en im Bereich der Vermittlung haben Dich in den letzten Jahren besonders durch ihren visionären Gehalt beeindruckt?

Für mich sind das Angebote für Menschen mit Demenz, die verschiedene Museen in den letzten Jahren an den Start gebracht haben. Denn hier wird ganz konkret auf den demographischen Wandel reagiert und ich bin überzeugt davon, dass die Bedeutung dieser Arbeit in den nächsten Jahren noch wachsen wird.

Die zweite konkrete Entwicklung in Sachen Kunstvermittlung, die mir persönlich sehr am Herzen liegt, berührt das Thema Migration. Ich bin der Meinung, dass es eine der Hauptaufgaben zukünftiger Vermittlungsarbeit im Museum ist, sich mit der Vielfalt der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Wie das aussehen könnte, zeigt dieses berührende Beispiel hier:

Gefragt nach drei Best-Practice-Beispielen: Welche überzeugten Dich besonders und warum?

Ein Projekt möchte ich gerne nennen, das für mich einen innovativen Ansatz in der Kunstvermittlung darstellt. Und da geht es nicht um irgendwelche methodischen Neuigkeiten. Sondern darum, wie man Menschen den Zugang ermöglicht, die aus ihrer Lebenssituation heraus nicht in der Lage sind, das Museum persönlich zu besuchen. Das Van Abbemuseum in den Niederlanden kann man mittels Roboter besuchen. Was sich nach Science Fiction anhört, ist aber nur eine wunderbare Möglichkeit, sich die Technik zunutze zu machen.

Als zweites Beispiel möchte ich die Vermittlungsform der Digitorials nennen, die das Städel Museum seit einiger Zeit zu ihren Sonderausstellungen veröffentlicht. Sie tragen gleich zwei gute Denkansätze in sich. Zum einen wird auf das Bedürfnis in der Informationsgesellschaft reagiert, zeitlich und räumlich flexibel auf Inhalte zugreifen zu können. Zugleich wird dem Besucher aber auch die Entscheidung überlassen, den Detailgrad der Informationen selber zu bestimmen. Darüber hinaus sind die Digitorials gut und professionell gemacht. Ein Standard, an dem zukünftige Kunstvermittlung ebenfalls gemessen werden wird.

Für ein weiteres Best Practice Beispiel muss ich wieder ein bisschen zurückblicken. Und ein Projekt hervorkramen, das ich vom Ansatz her genial fand. In der Ausführung war allerdings noch nicht alles rund. Aber die Idee würde ich gerne für die Zukunft aufgegriffen sehen und mit komfortableren Ressourcen ausstatten. Dann ist das durchaus ein innovatives Modell. Die Rede ist vom Pop Talk, einer Web-App, die 2010 anlässlich der Roy Lichtenstein Ausstellung im Museum Ludwig entstanden ist. Hier konnte man unmittelbar vor den ausgestellten Werken Fragen stellen und sich via Social Media mit anderen austauschen. Eine Chance zur Auflösung statischer Vermittlung und eine fabelhafte Möglichkeit für die Besucher, sich an der Konstruktion von Wissen zu beteiligen.

All diese Ideen sind nicht unbedingt Visionen im Sinne von einer Vorstellung dessen, was noch gar nicht vorhanden ist. Sondern ich wollte zum Weiterdenken anregen. Es kommt nicht darauf an, das Rad immer wieder neu zu erfinden. Es gibt schon eine Menge guter Ansätze. In der Vergangenheit ist mir immer wieder der Begriff „Angebotsdesign“ in den Sinn gekommen. Eine Idee, die ich bei  Nina Simon vorgedacht fand. Ihre Vorschläge für das partizipatorische Museum sind für mich zukunftsweisend. Da ist eine Vision für die Kunstvermittlung. Es geht um die Haltung, mit der man Kunstvermittlung betreibt. Um Augenhöhe und symmetrische Kommunikation. Und dann geht es um das Weiterdenken. Es lohnt sich zum Beispiel über spezielle Formate für neue Wege nachzudenken. Und es sollte konkret um das Machen gehen.

Wenn ich aber doch noch eine echte Vision loswerden sollte, dann ist es die, dass zukünftig mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, um solche neuen Formate auszuprobieren und bereits erprobte Ansätze dauerhaft zu etablieren. Denn Vision ohne Praxis bliebe nur eine Illusion.

5 Replies to “Thinking Kunstvermittlung”

  1. Liebe Anke,
    ich habe lange über deinen Text nachgedacht und mal wieder sprichst du so viele relevante Themen an, dass es mich eigentlich wütend und traurig zugleich macht, dass der Bereich Kulturelle Bildung zu wenig Anerkennung bekommt. Auf die Frage „auf welche Frage hättet du gerne eine Antwort?“ hast du geantwortet: „warum Kunstvermittlung selten als intellektuell anspruchsvoll gesehen wird.“ Und darauf hätte ich wirklich auch gerne einmal eine Antwort.
    Denn einerseits wird in vielen Institutionen so viel im Bereich Kultureller Bildung getan und es gibt so viele engagierte Menschen, die sich dafür einsetzen. Andererseits fehlt es – natürlich – an finanziellen Mitteln (Projektförderung ist ja schön und gut…) aber auch die verstärkte Anerkennung aus der Politik ist wünschenswert und notwendig. Manchmal frage ich mich selbst: habe ich zu hohe Erwartungen? Sind wir schon auf einem guten Weg, doch mir geht das einfach alles zu langsam?
    Mit noch mehr Fragen im Kopf sende ich dir liebe Grüße aus der PLATFORM, Clara!

    1. Liebe Clara,

      worüber ich mir oft Gedanken mache, ist das große Mangeldenken, mit dem man in der Kulturbranche zu kämpfen hat. Klar, wie kann man auch nicht ständig an den Mangel denken, der die Arbeit stets begleitet. Es gibt zu wenig Geld, zu wenig Jobs, zu wenig Personal. Stell dir mal vor – und jetzt fängt das mit den Visionen an, in den Bereich des Träumens zu geraten – man würde von Museen oder Kultureinrichtungen umworben. Sie würden dir eine Wohnung besorgen und tolle Arbeitsbedingungen mit Spieltischen und Gratis-Säften geben. Du würdest so viel Geld kriegen, dass du gar nicht wüsstest, wofür du das ganze Geld ausgeben sollst. Und es dann in junge aufstrebende Künstlerinnen investieren. Man bräuchte sich keine Sorge um das Alter machen und könnte in aller Ruhe ein Thema von vorne bis hinten durchdenken, spannende Kollaborateure hinzuziehen und ihnen genügend Geld geben. Tja.

      Die zweite Sache, die mich sehr beschäftigt: Ich erlebe im Kulturbetrieb immer wieder ein streng hierarisches Denken. Und da ist es dann auch so, dass die Vermittlungsarbeit so vor sich hinmacht und sehr selten von Anfang an in Ausstellungsplanungen einbezogen wird. Am Schluss, wenn alles steht, dürfen die Vermittlerinnen dann ein Programm aufsetzen. Wenn es mal anders läuft und das von Anfang an im Team gedacht wird, dann merkt man das den Ausstellungen als Besucher auch oft an!

      Tja, ich habe mich hier ja immer mal wieder zu der Frage geäußert, wie wichtig Kunstvermittlung und die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Zielgruppen. Aber manchmal komme ich mir so vor, als würde das abgetan im Sinne von: erst kommen die wichtigen Sachen und der Kinderkram und das Rumgetüddele kann dann in irgendeinem Bastelzimmer im Keller gemacht werden.

      Aber lassen wir mal ab vom Mangeldenken und versuchen, uns positiv zu programmieren! Es gibt auch schon tolle Ansätze. Die muss man halt sichtbarer machen.

      Vielen Dank für deinen Kommentar und dein Mitdenken.
      Herzliche Grüße und auf bald in München
      Anke

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