Kunstvermittlung im Museum.


Kulturvermittlung / Dienstag, März 21st, 2017

Als ich zufällig von der Publikation „Kunstvermittlung im Museum. Ein Erfahrungsraum“ erfuhr, wollte ich sie unbedingt rezensieren. Allein schon der Untertitel des von Kristine Preuß und Fabian Hofmann herausgegebenen Buch war vielversprechend. Und ich danke dem Waxmann Verlag, dass er mir das Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt hat.

Vorab zwei Bemerkungen: das Buch ist eine ausdrückliche Leseempfehlung für alle Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler. Und ich lade alle herzlich ein, sich mehr im digitalen Raum zu zeigen. Warum mir das so wichtig ist und mit welchen Erkenntnissen ich durch die Lektüre gefüttert wurde, habe ich für euch zusammengefasst.

Reflexion

Der Job als Kunstvermittlerin bringt es mit sich, dass man sich permanent und oft auch sehr spontan auf neue Themen und neue Besuchergruppen einstellen muss. Man arbeitet sich schnell und umfassend ein, schafft sich Wissen drauf und schaut, dass man eine angemessene didaktische Reduktion entwickelt. Dann gilt es, die Bedürfnisse der Besucher zu scannen und flexibel eine passende Ansprache zu suchen. Wo bleibt da noch Zeit, die eigene Arbeit zu reflektieren. Für mich ist das auch nach all den Jahren, die ich als Kunstvermittlerin arbeite, ein ganz wichtiger Aspekt. Und ich bin sehr froh über jeden Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.

Das Buch „Kunstvermittlung im Museum“ hat mich auch wegen der zahlreichen Anregungen überzeugt, die eigene Position in der Frage „Wie vermittele ich Kunst“ zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang kann ich das Konzept der Erfahrung voll und ganz nachvollziehen. Interessant auch die Einteilung des Buches in die drei inhaltlichen Schritte „Vermittlung„, „Erfahrung“ und „Raum„. Wobei ich mir bei letzterem sehr gewünscht hätte, dass man sich auch dem digitalen Raum angemessen gewidmet hätte. Dazu später mehr.

Vorangestellt sind den Texten 6 Thesen zur Kunstvermittlung, von denen mir vor allem die Einstellung gefällt, dass es von Bedeutung ist, was ein Museum macht, nicht was es ist. Eine schöne Verschiebung der üblichen Perspektive auf das Museum als Bildungstempel. Die Handlung aller Beteiligten im Gefüge „Museum“ ist ein zentraler Gedanke hinter den Thesen.

Julia Hagenberg von der Kunstsammlung NRW ruft dazu auf, auch das Methodenrepertoire zu überprüfen und den neuen Zusammensetzungen und Lebensformen des Publikums anzupassen. Katharina Mantel vom Museum für Moderne Kunst in Frankfurt nimmt auch noch einmal die oft autodidaktische Arbeitsweise der Kunstvermittler in den Blick. Sicher gibt es in der letzten Zeit verstärkt Möglichkeiten, sich professionell auf dem Gebiet ausbilden zu lassen. Aber ich finde es gut, dass hier auch noch einmal deutlich ausgesprochen wird, dass viele als Quereinsteiger arbeiten. Und wer Kunstgeschichte studiert hat, der bekommt das eben nicht in die Wiege gelegt, das mit der Vermittlung.

Sehr spannend fand ich auch den Text von Dirk vom Lehn, der als Senior Lecturer am King’s College in London im Bereich Work, Interaktion & Research Technologies arbeitet. Er stellt die These auf, dass der Museumsbesuch ein soziales Erlebnis sei. Und beklagt, dass die soziale Situation vor dem Gemälde meist unerforscht bleibt. Eine ganz zentrale Blickrichtung, die mir schon immer im Kopf herumschwirrte, an der ich aber auch nie genug herumgedacht habe. Und er erwähnt mein Lieblingsthema Sitzgelegenheiten!

Auch wenn ich mich ein bisschen schwer tue, mit allzu philosophischen Ansätzen – irgendwie bin ich doch sehr in der Praxis verhaftet – hat es meine Gedanken sehr befeuert, über Begrifflichkeiten wie „Widerfahrnis“ oder „Habitus“ nachzudenken. Wirklich toll sind auch die dichten Literaturempfehlungen, die sehr viel Stoff zum Weiterlesen bieten.

Richtig klasse fand ich den Text von Astrid Lembcke-Thiel ( Landesmuseum für Kunst und Natur, Wiesbaden). Sie führt dort aus, was ich schon oft gedacht habe: „dass Vermitteln nicht damit getan ist, alles über Werk und Künstler gesagt zu haben, mittels ein paar „dialogischer Fragen.“ Sie fordert mutige Menschen für die Kunstvermittlung ein. Das gefällt mir. Und vor allem diesen Satz von ihr feiere ich: „Mich interessiert der Moment, in dem ich – als Vertreterin der Institution und als Kunstvermittlerin – mit kritischem und hinterfragtem Selbstverständnis auf die Besucher/-innen treffe.“

Inspiration

Das Buch besticht durch eine gute Mischung von grundsätzlichen Gedanken und Berichten aus der Praxis. Denn, wenn man nur auf der Meta-Ebene bleibt, ist es nicht einfach, das auf die eigentliche Arbeit zu übertragen. Wie macht man es denn jetzt konkret? Dazu gibt es einige Ideen in dem Buch. Mit dem Projekt „museum global“ regt J. Hagenberg an, den kunstgeschichtlichen Kanon zu hinterfragen. Gemeinsam mit den Besuchern sollen dort zum Beispiel verschiedene Blickwinkel auf Tendenzen der Abstraktion diskutiert werden. Hagenberg verweist auch auf Nina Simon. Und führt aus, dass Partizipation „angesichts der Angebote in den digitalen Netzwerken inzwischen auch erwartet wird“. Hier hebe ich wieder meine Hand und fordere eine Verknüpfung von analoger und digitaler Partizipation.

Richtig inspirierend fand ich den Beitrag von Elisabeth Bodin, die am Louisiana Museum of Modern Art in Kopenhagen arbeitet. Sie schlägt den Bogen zur Forderung einer Schulreform. Denn – und dafür führt sie wissenschaftliche Beweise an – es ist erwiesen, dass Schülerinnen und Schüler motivierter und mit besseren akademischen Ergebnissen aufwarten können, wenn sie mit Kunst oder Musik in ihrem Schulalltag zu tun haben. Ganz fabelhaft scheinen mir auch die „Days of Inspiration“ zu sein, wie sie die Lehrerfortbildungen bezeichnet, die am Louisiana einfach anders gestaltet werden. Am Ende verweist sie auch auf die digitalen Medien. Sie betont, dass es durch sie nicht mehr darum ginge, dass Informationen nicht zugänglich seien. Es gehe nun darum, wie man denn das Lernen sinnvoll gestalten könne. Hier muss man ansetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will da unbedingt mehr sinnvolle Experimente und Projekte in der Kunstvermittlung sehen!

Vision

Die Zukunft der Kunstvermittlung geht sicher verschiedene Wege. Auch hier gibt es grundsätzliche Überlegungen in der Publikation, die eine Marschrichtung vorgeben. Die von mir sehr geschätzte Claudia Ohmert thematisiert noch einmal den Stellenwert der Kunstvermittlung und wünscht sich eine zukünftig unsichtbare Kunstvermittlung! Ein schöner Gedanke, der eine angenehme Selbstverständlichkeit impliziert. Immer da! Immer mitgedacht.

Es gibt wirklich viel Denkstoff in diesem sehr empfehlenswerten Buch. Allerdings bin ich ein bisschen enttäuscht, dass der digitale Raum anscheinend für Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler immer noch mit einem dicken Vorhängeschloss versehen zu sein scheint. Von Christoph Deeg hätte ich eigentlich ein bisschen mehr erwartet als eine ziemlich unkonkrete Vorstellung von Gamification im Museum. Gut, es wird daran liegen, dass er hier auch aus keinerlei Praxiserfahrung berichten konnte. Aber mir war auch nicht ganz sauber definiert, worum es ihm ging. Einerseits greift er Gamification als Möglichkeit auf, Kunstwerke zu erschließen. Andererseits spricht er von Computerspielen als Kunstwerke. Das sind aus meiner Sicht zwei ganz verschiedene Themen. Es wäre spannend gewesen, welche Ansätze zur Kunstvermittlung mit den Gesetzmäßigkeiten von Gamification gedacht werden können.

Insgesamt scheint es in der Kunstvermittlungsszene doch verstärkt die Haltung zu geben, wie sie Nadia Orlopp zum Thema „virtuelle Vermittlungsräume hat: „Ob sie je das direkte Bildgespräch mit Mitbetrachtern/-innen vor einem Werk ersetzen können, darf bezweifelt werden.“ Darum geht es doch aber nicht. Digitale Kunstvermittlung soll die analoge überhaupt nicht ersetzen. Ich werde mir mal auferlegen, in Zukunft mehr über mein Verständnis einer digitalen Kunstvermittlung zu bloggen. Wir sollten da alle gemeinsam weiterdenken.

Immerhin fand sich ein Museumselfie-Foto im Buch. Kerstin Hallmann von der Leuphana Universität textet auch munter los in Richtung veränderte Wahrnehmung und digitale Informationstechnologien. Auch sieht sie eine aktivere Rolle, die dem Besucher heute zukomme. Und empfiehlt der Kunstvermittlung, „Situationen zu inszenieren, die das Potenzial haben, zu einer Praxis des Erscheinens zu werden.“ Ich hätte mir an dieser Stelle ein bisschen weniger ästhetische Theorie als vielmehr Visionen für eine Kunstvermittlung im Zusammenhang der neuen Rezeptionsbedingungen gewünscht.

Mein Fazit

18 Beiträge von Kunstvermittlerinnen, Kunstvermittlern, Kunstpädagoginnen, Künstlerinnen, Kulturwissenschaftlerinnen, einem Gaming-Experten und zwei Empirikern – das ist ganz viel Input. Durch die Vielfalt gibt es eine Menge Perspektiven auf das Thema und ich bin mir sicher, dass jede/jeder, der in diesem Berufsfeld tätig ist, für sich da genügend Anregung für die eigene Arbeit findet.

Mir gefällt es auch, dass stellenweise mal Tacheles geredet wird und ganz viel über die Funktion der Kunstvermittlung nachgedacht wird. Wenn es stimmt, dass zunehmend mehr Aufmerksamkeit auf diese Arbeit auch von außen gelegt wird, dann würde mich das sehr freuen. Und vielleicht gibt es dann auch Möglichkeiten, dass Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittlern im Netz sichtbarer werden. Denn viele der angestoßenen Themen – wie zum Beispiel das der Partizipation – sind ja gewissermaßen Steilvorlagen für Aktionen dort. Neben den Leuchttürmen der digitalen Kunstvermittlung, fehlt mir das Engagement in der Breite. Sollte sich auf diesem Sektor schon ganz viel tun, ist das bislang an mir vorbeigegangen. Und ich bitte euch dringend um Hinweise, wo ich etwas nachlesen kann.

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