Nachlese zum Barcamp Theater


Allgemein, Veranstaltungen / Freitag, September 23rd, 2016

Vor zwei Wochen haben wir uns in der Orangerie von Schloss Benrath zum Barcamp Theater getroffen. Es waren weniger Teilnehmer da, als ich erwartet hatte (vielleicht so um die 40 – ich habe nicht durchgezählt). Aber dafür erstaunlich viele aus der Branche. Das war toll. Allerdings habe ich mich gefragt, wieso nicht auch andere Kulturinstitutionen aus dem Umfeld (die Düsseldorfer Museen beispielsweise, oder auch jemand vom Schloss Benrath selbst) dort aufgeschlagen sind. Ich empfinde Barcamps immer als eine tolle Möglichkeit, sich auszutauschen. Und vor allem auch die Kulturbranche im Digitalen zu stärken. Und da das Barcamp ja von dem Institut Moderne im Rheinland veranstaltet wurde, war der übergreifende Charakter schon deutlich. Wie immer auf Barcamps: man kann nicht alle Sessions besuchen. Aber ich berichte über ein paar Aspekte, die mir in Erinnerung geblieben sind. Und wer vielleicht noch ergänzen möchte, kann gerne die Kommentarfunktion nutzen.

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Virtuelle Begehung eines nicht realisierten Ortes.

Das Naturtheater in Benrath als VR-Erfahrung – ein alternativer Theaterraum wird virtuell. Der Besuch des virtuellen Naturtheaters im Park des Schlosses Benrath, also an der ursprünglich vorgesehenen Stelle, versucht einen Impuls für die Verbindung von alternativen theatralen Raumkonzepten vor 100 Jahren und heute zu geben.

Im Vorfeld hatte es eine Themenliste gegeben und die Veranstalter haben sich mit dieser Ankündigung schon mal ins Spiel gebracht. Aus der Projektpräsentation wurde ein wunderbarer Walk durch den Schloss-Park. Und es brach ein großes Oh und Ah an, als wir auf der als Hippodrom bekannten weiten Wiese standen. Durch so kleine Spezialbrillen konnten wir in unserem Handy den Eindruck des ehemaligen Naturtheaters gewinnen. Leider habe ich den Link zu der Projektseite verloren, aber vielleicht wird er mir ja nachgereicht. 

1911 hatte es der Bühnenbildner Eduard Sturm für das Düsseldorfer Schauspielhaus entworfen – gebaut wurde es nie. Ich finde es sehr spannend, diese Idee dann ins Virtuelle übertragen. Die Ausführung wurde mit Pixelpark bewerkstelligt und ich hätte gerne noch mehr darüber erfahren, wie diese VR-Umsetzung weiter genutzt werden soll. Es ist wahrscheinlich auch noch ein langer Prozess!

Auf der Seite Orte der Utopie beschäftigt sich das Institut Moderne im Rheinland mit den Ideen der Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. „Theater- und Raumkonzepte in Zeiten des Krieges“ heißt es in der Unterzeile. Dazu gehörte beispielsweise auch das von Henry van der Velde entworfene Theater auf dem Gelände der Werkbundausstellung. Ein imposanter Bau, der temporär 1914 am Deutzer Rheinufer entstanden ist. 

Was ist das Faszinierende an solchen Theaterbauten? Wo steckt das Potenzial des Virtuellen? Gibt es einen Erkenntnis-Gewinn für das heutige Theater? Vielleicht ist es auch ein Plädoyer, sich ins Virtuelle zu begeben? Es wird immer die Besonderheit des analogen Theaterraums diskutiert, wenn es um Argumente contra das Digitale geht. Ich hätte mir gewünscht, dass wir an dieser Stelle noch ein bisschen mehr diskutiert hätten. Aber wie das immer ist beim Session-Stakato – man musste dann schnell weitermachen. Das Thema halte ich jedenfalls für so spannend, dass ich gerne weiter angefüttert werden möchte 🙂 Mal sehen, ob wir uns weiter im digitalen Raum darüber austauschen können.

Avatar-Theater – Ort und Zeit am Theater neu denken

„Zentral sind wahrscheinlich auch die Fragen nach der Illusion am Theater sowie nach Körperlichkeit. Die Ausdehnung, Verlängerung des Körpers (s. Performances z.B. Rebecca Horn) wird nochmal getoppt durch die Entgrenzung von Ort und Zeit. Wie reagiert die „Handlung“ *und ich setze sie schon in Anführungsstriche… Grundlage ist eine Inszenierungsidee.“

Mit dem Regisseur Kristof Szabo diskutierten wir über die Vorteile einer virtuellen Realität im Zusammenhang mit einer Theaterinszenierung. Vor allem die Frage des Mehrwertes wurde von allen Seiten besprochen. Vereinzelt gab es schon Erfahrungen mit solchen Ansätzen, wie Ute sie hier beschreibt.

Eine Idee wäre, ein komplexes Vorwissen ans Publikum zu vermitteln. So dass dieses dann vor Ort anders einsteigen könnte. Das hätte dann eine völlig andere Qualität, als wenn man es über Textinfos einbringt. Was würde passieren, wenn man eben auch bestimmte Perspektiven der im Stück agierenden Figuren erleben könnte? Oder Emotionen erfahren? Es scheint, als habe Kristof Szabo schon ein ganz konkretes Konzept und es bräuchte nur einen Sponsor, der ihn bei der Umsetzung unterstützt. Spannend fände ich das allemal!

 

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Theater im Netz. Netz im Theater

Es war ja das Thema der Kulturfritzen, die auch immer noch zur Diskussion aufrufen. Marc war hierzu extra aus Hamburg angereist! Wir stellten schnell fest, dass da Stoff für mehrere Sessions drin war. Denn einerseits sprachen wir über die Erfahrungen mit Tweetups im Theater. Andererseits aber eben auch über die Frage, wie man das Digitale auf die Bühne holen könnte. Marc berichtete über seine Erfahrungen aus der Inszenierung der „Männerspielerin„, wo er die Netz-Community zur Interaktion aufgerufen hatte.

„Mir geht es weniger darum, die Proben sozialmedial zu begleiten, vielmehr möchte ich den Entstehungsprozess der Produktion inhaltssatt, gehalt- und geschmackvoll im Netz abbilden. Keine klassische Probendokumentation, kein Making-Off, kein Hinter-die-Kulissen-gucken. Stattdessen eine Art virtuelle Parallelinszenierung, die durchaus auch Interaktionen beinhalten soll.“

So hatte Marc seine Versuchsanordnung beschrieben. Ich weiß, wie schwer es ist, solche Interaktionen anzuschieben und finde, dass es im Rahmen der Männerspielerin super gelungen ist (Ich habe das Stück gesehen!). Was mir gut gefallen hat: die Interaktion wurde eben nicht nur auf das Netz beschränkt. Auf analogen Zettelchen konnten eben auch die Besucher ihre Assoziationen zu #ichbinnin abgeben.

Unsere Diskussion haben wir versucht, auf ein paar Stichworte einzudampfen, die wir aufgeschrieben haben. Jetzt würde die eigentliche Arbeit beginnen 🙂 Das muss weiterdiskutiert werden. Und es müssen weitere Erfahrungswerte gesammelt werden. Mit Theater im Netz. (Wie ich aus gut informierten Kreisen mitbekommen habe, wird zu dem Thema im Oktober auch eine Radiosendung produziert. Wenn da ein Termin kommuniziert wird, verlinke ich das gerne auch hier.)

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Das Netz ist das, was ihr draus macht

Mir wurde schon angedroht, ich müsse einen Groschen in die Phrasendresch-Kasse zahlen. Sorry, aber es ist ein Satz, den man in bestimmten Kreisen eben noch nicht verinnerlicht hat. Und als ich von den Nöten der Theaterakademie Köln hörte, dem Schauspielnachwuchs die Möglichkeiten des Digitalen näher zu bringen, musste ich ihn einfach spontan raushauen.

Wir haben dann die Chance genutzt, eine Session draus zu stricken, die eigentlich prima an die obige von Marc anknüpfte. Und das finde ich bei Barcamps so super: dass man eine Frage aufwirft und sich alle zusammenhocken zu einem gemeinsamen Brainstorming. Was dabei herausgekommen ist, waren ein paar Tipps, wie die Theaterakademie ihren Instagram-Account nutzen könnte, um den Schauspielschülern auf die Sprünge helfen zu können. Und jetzt komme ich wieder mit einer Phrase (die ich aber nicht müde werde, zu dreschen!!!): „Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.“ Konfuzius! Immerhin! Da die Hürde „Selbstdarstellung“ für Anfänger im Netz vielleicht zu hoch ist, stellt der Umweg über ein neutrales Terrain eine schöne Möglichkeit zum Üben dar. Die ersten Bilder zeigen auf jeden Fall, dass die Idee der #RotationCuration gut anzukommen scheint. Guckt und folgt gerne mal drüben auf Instagram.

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Zum Schluss noch ein paar Impressionen des wundervollen Ortes. Schloss Benrath ist ja vor allem wegen der Gartenkultur über die Grenzen Düsseldorfs hinaus bekannt. Und ich war erstaunt, dass ich bei freier Autobahn tatsächlich in einer guten halben Stunde dort war. Das Lust- und Jagdschlösschen ist allerliebst. Aber der Garten ist wirklich ein Erlebnis. Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Sulzbach hat ihn (und das Schloss) Ende 1755 beim französischen Bau- und Gartendirektor Nicolas de Pigage in Auftrag gegeben. Wie man liest, war er selber nur einmal ganz kurz vor Ort. Selber schuld! Denn was dort vor den Toren Düsseldorfs im 18. Jahrhundert entstanden ist, ist ein Kleinod. (Übrigens ein perfekter Ort zum Lustwandeln! An dieser Stelle sei auf Tanjas Tweetwalk hingewiesen!)

Ich kam etwas zu früh und konnte sogar ein kleinen Geheimtipp wahrnehmen. Es gibt nämlich einen kleinen Verkaufsstand, auf dem die Erzeugnisse des landwirtschaftlich genutzten Teils zu kaufen sind.

 

Mein Fazit: Das Barcamp Theater war eine super Idee! Dank an Jasmin Grande und ihr Team, dass ihr das angegangen seid. Ich hoffe, es gibt eine Wiederholung?! Denn das hat uns der Austausch allemal gezeigt: dass wir einen unglaublichen Bedarf an Input haben. An Diskussion verschiedener Erfahrungen, Ideen und Gedanken. Denn nur so kann man vorankommen. (Wie immer wurde natürlich schmerzlich bewusst, dass die Ebene der Entscheider bei solchen Barcamps fehlt. Aber der Bedarf wird vielleicht auch in die Leitungsebene hineinschwappen.)

Auch wenn Theater nicht mein Business ist, so ist es doch die Kulturvermittlung im Digitalen allgemein. Und ich denke, dass wir an dieser Stelle ein Stückchen gemeinsam gehen können. Auf die Bedeutung eines guten Netzwerkes in diesem Zusammenhang habe ich bereits mehrfach hingewiesen. Es gibt viel zu tun! Packen wir es an! (Phrasendrescherei Nr. 3!!!)

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